BUND Bergstraße:
60 Teilnehmer waren bei einer Exkursion durch den Niederwald dabei
Der Wald – Lebensraum und Wirtschaftsfaktor
Von unserer Mitarbeiterin Monika Hälker
Revierförster Dirk Ruis-Eckhardt führte rund 60 Teilnehmer bei einer Exkursion des BUND durch den Niederwald. Startpunkt war am Rodauer Sportplatz.
© Funck
Zwingenberg.
Gutes Schuhwerk, ein sicherer Tritt und brennnesseltaugliche Kleidung waren das A und O. Denn Revierförster Dirk Ruis-Eckhardt lenkte die Teilnehmer an einer dreistündigen naturkundlichen Exkursion nicht nur auf den bekannten Pfaden durch den Niederwald. Das Knistern und Knacken von dünnen Ästen unter dem Laub zeigte deutlich hörbar an, dass sich eine stattliche Schar durch das Revier bewegte, in dem sich Reh und Dachs neben dem Hirschkäfer und sogar dem Großen Eichenbock zu Hause fühlen.
Reichtum an Pflanzen und Tieren
Rund 60 Teilnehmer zählte der Kreisverband des BUND, der zu dieser Veranstaltung eingeladen hatte. Vorstandssprecher Guido Carl schätzt den Niederwald als ein Refugium, in dem eine weitgehend ausbalancierte Ökologie einen Reichtum an Pflanzen- und Tierarten ermöglicht. Anders etwa als im Lampertheimer Wald, der durch einen gesunkenen Grundwasserpegel dürstet. Jetzt bewegte man sich - trotz trockener Jahreszeit - auf einem vergleichsweise feuchten Neckarbett, das die Bedürfnisse des Waldes noch abdeckt - obwohl an manchen Stellen die breiten Risse im Erdboden auf den Bedarf an mehr Wasser hindeuten.
Der Revierförster Dirk Ruis-Eckhardt steuerte markante Punkte im Gehölz zwischen Rodau und Fehlheim an. Die Vielfalt von Pflanzen und Tieren bildete den roten Leitfaden. Ruis-Eckhardt räumte mit der Vorstellung einer romantischen Idylle des Waldes auf, der sich ausschließlich durch stete Verjüngung aus eigener Kraft selbst erhält. Auch hier in dem Grün zwischen Rodau und Fehlheim setzte niemals der Urwald die Zeichen der Zeit. Es ist geprägt durch Eingriffe des Menschen, der nicht zuletzt auch einen ökonomischen Nutzen daraus zieht.
Auf der anderen Seite verdeutlichte der Revierförster an verschiedenen Haltepunkten, dass keineswegs ein reines Ökonomie-Denken mit kurzfristigem Gewinntreiben das Handeln bestimmt. Der Erhalt eines naturnahen Waldes stehe im Vordergrund.
Als ein Beispiel nannte Ruis-Eckhardt die Douglasie, ein Einwanderer, der schweres, wettertaugliches Holz liefert und als schnell wachsender Baum in der Holzwirtschaft durchaus interessant ist. Andererseits würde er sich im Mischwald schnell eine Dominanz erobern, die das ökologische Gleichgewicht empfindlich stört. Seiner Konkurrenz könnten Buchen und Eichen nicht standhalten. Doch gerade sie würden einer Vielzahl von einheimischen Lebewesen - Vögeln und Käfern - Platz für ein Nest bieten.
Lieblingsspeise der Rehe
Ruis-Eckhardt verwies auf ein 0,1 Hektar großes eingezäuntes Gelände, das man nach einem Kahlschlag zum Experimentierfeld erkoren hatte. Dort wächst eine Schwarznuss neben Buchen und Kirsche - Baumarten, denen er als Lieblingsspeise der Rehe kein langes Leben in der Wildnis zumaß. Dass das Schalenwild in einem so hohen Vorkommen die Ökologie des Waldes empfindlich stören kann, zeigt ein weiteres eingezäuntes Areal von 100 Quadratmetern. Im Schutz vor Rehverbiss entwickelt sich hier eine pflanzliche Diversität, wie sie ansonsten in dem sich selbst verjüngenden Wald nicht vorzufinden ist. Besonders die Kirsche ist dort vertreten, die im Niederwald fast zu einer Rarität geworden ist.
Die Konkurrenz der Baumarten im Wald ist groß. Nur wer auf einem lichten Flecken wächst, hat gute Chancen, im Verdrängungskampf zu bestehen. Besonders schönen Exemplaren gibt der Förster durch gezielte Fällungen in der Nachbarschaft die Chance, dem Schatten zu entweichen und sich prachtvoll zu entwickeln. Mittlerweile sind die Markierungen vorgenommen - für Bäume, die gesund, gerade gewachsen und daher besonders wertvoll sind, und für diejenigen, die gefällt und vermarktet werden sollen.
Die wirtschaftliche Holzbilanz in Deutschland sieht negativ aus. Es werde doppelt so viel importiert als exportiert. Denn: "Holz ist in der ökologischen Bilanz auch als Baustoff nicht zu schlagen." Stahl koste ein 70-faches, Aluminium gar ein 700-faches an Energie. Der wertvolle Rohstoff stehe in dem Dilemma zwischen Naturwald und Umweltbilanz. "Wir müssen den Wald planvoll nutzen", so der Revierförster. Da spielen neben der Wirtschaft Faktoren wie etwa Naherholung, Naturschutz oder das Klima eine Rolle. Auch wenn darin ein Konfliktpotential von vornherein angelegt ist, gelte es, eine gute Balance zu finden. Rund zehn Festmeter werden im Niederwald pro Jahr eingeschlagen.
Heldbock und Hirschkäfer
Neben den Stümpfen von abgeknickten Buchen und Eichen, die ein bisschen Urwald-Nostalgie verbreiten, stehen die Habitatbäume, die von einer Fällung absolut ausgeschlossen sind. Ihr besonderer Wert liegt nicht in der Qualität des Holzes. Sie bieten vielmehr Lebensraum für seltene Arten in der Tier- und Pflanzenwelt. In Höhlen nisten Vögel, im oberen Drittel der Heldbock, der zu den größten Käfern in Mitteleuropa zählt, und oberhalb der Wurzel der Hirschkäfer. "Solche Bäume sind unter ökologischem Aspekt Gold wert für die Natur."
Daneben führte der Förster zueinigen Besonderheiten: eine Flatterulme mit ihren typischen Brettwurzeln, die in stürmischen Zeiten besonders guten Halt geben. In ihrer Sichtweite dann die uralte Eiche, ein imposanter Baum mit einem mächtigen Umfang, der die Exkursionsteilnehmer staunen ließ. Er ist der mächtigste Baum im gesamten Bensheimer Stadtwald.
Der Revierförster zeigte einige seiner Fundstücke, die er vor Ort bei seinen Rundgängen durch den Wald aufgelesen hat: Ein Schädel vom Dachs und ein Geweih vom Reh, an dem bereits die Waldmaus genagt hat, Relikte vom Skelett eines Greifvogels, der selbst zur Beute wurde, und Federn vom Eichelhäher. Auf einem Baumstumpf glitzerte dann die grüne Hülle eines Hirschkäfers - wie ein vergessenes Schoko-Osterei.
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