11. Mai 2004

"Eine Entmündigung der Naturschutzbeiräte"

Von: Kreisverband Bergstraße

Kreis Bergstraße. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND), Kreisverband Bergstraße wehrt sich gegen die neuerliche Änderung des Hessischen Naturschutzgesetzes, mit der die Rechte der Naturschutzbeiräte weiter eingeschränkt werden sollen. "Dies ist ein weiterer Abbau demokratischer Mitbestimmungsrechte, der zeigt, dass die Bedeutung von Naturschutz in Hessen unter der Regierung Koch weiter an Gewicht verliert", so Georg Niedermayer, BUND-Kreisvorsitzender.

Neben dem im Gesetzentwurf angegebenen Ziel des Personalabbaus in den Naturschutzbehörden zielen die Vorschläge des Umweltministers ganz eindeutig darauf, das Behördenhandeln vor der fachkundigen Öffentlichkeit zu verbergen, stellt der BUND-Vorstandssprecher Herwig Winter fest, der seit 23 Jahren Vorsitzender des Naturschutzbeirates im Landkreis Bergstraße ist. Unzutreffend ist nach seiner jahrelangen Erfahrung die Begründung, dass die Naturschutzbehörden heute mehr Personal hätten und deshalb den Rat der Beiräte nicht mehr so stark wie früher benötigten. "Beides ist falsch", bekräftigt Winter, "denn erstens soll die Gesetzesänderung ja gerade den bereits stattfindenden Personalabbau verstärken und zweitens sind sachgerechte Konfliktlösungen schwieriger zu finden, je mehr der Naturschutz auf strikte Verbote verzichtet und nach Kompromissen sucht."

Noch am 23.07.2003 hatte Umwelt-Staatssekretär Karl-Winfried Seif Hessens ehrenamtlichen Naturschützerinnen und Naturschützern in einer Pressemitteilung versichert: "Sowohl bei der Beschaffung von Informationen als auch bei der Pflege und Unterhaltung geschützter Flächen ist die Unterstützung durch die Naturschutzverbände für die Landesverwaltung unverzichtbar". Nicht einmal ein Jahr später vertritt sein Haus nun die gegenteilige Meinung.

Die vom Umweltministerium als Begründung zur Gesetzesänderung angeführte Kritik an der Kontrollfunktion der Beiräte ist für den BUND Bergstraße nicht nachvollziehbar. Denn nach der letzten Gesetzesänderung die vor knapp zwei Jahren stattfand, wurde das 1981 ein-geführte, wichtigste Kontrollrecht der Naturschutzbeiräte in den Landkreisen und großen Städten, das so genannte Devolutionsrecht, gestrichen. Bis dahin konnte der Beirat einer Unteren Naturschutzbehörde die Überprüfung einer beabsichtigten Behördenentscheidung durch die Obere Naturschutzbehörde erzwingen. Durch die Streichung dieser vom Gesetzgeber 1981 gewollten und bei der Novelle 1994 noch bestätigten Kontrollfunktion des Beirates hat sich die Arbeit bereits zwangsläufig zu Gunsten der Beratungstätigkeit verschoben.

Besonders ärgerlich ist für den BUND, dass den Beiräten auch das Initiativrecht zur Bestimmung von Diskussionspunkten genommen werden soll. Würde die Gesetzesnovelle nach dem Wortlaut des Vorschlags aus dem Umweltministerium realisiert werden, können die Beiräte Vorgänge, die der Behörde oder der politischen Leitung unangenehm sind, nicht mehr auf die Tagesordnung einer Sitzung setzen lassen. Im Naturschutzbeirat könnte der BUND dann z. B. nicht mehr Auskunft über illegale Baumaßnahmen im Landschaftsschutzgebiet und der von der Behörde dagegen eingeleiteten Schritte einfordern.

Die Gesetzesänderungen im Einzelnen:

  1. Während die Naturschutzbehörde seit 1981 alle größeren Eingriffsvorhaben und Planungen mit dem Beirat diskutiert, sollen künftig nur noch "für das gesamte Kreisgebiet bedeutsame Vorgänge" behandelt werden. Die neue Formulierung lässt der Interpretation weite Spielräume und legt nahe, dass den Naturschutzbeiräten künftig überhaupt keine kritischen Einzelvorhaben mehr vorgelegt werden, auch nicht in Schutzgebieten.
  2. Da den Beiräten gleichzeitig das Recht zur eigenständigen Themenbenennung genommen werden soll, entscheidet künftig allein die Behörde, ob ein Vorgang behandelt wird oder nicht. Während die Politik und die Verwaltungen heute bei dubiosen Sachverhalten und Entscheidungen mit der kritischen Nachfrage im Naturschutzbeirat rechnen muss, sollen sie künftig vor den kritischen Fragen der sachverständigen und ortskundigen Bürgerinnen und Bürger "geschützt" werden.
  3. Außerdem soll die Zahl der Beiratsmitglieder von 12 auf 10 gesenkt werden, und statt heute sechs sollen künftig nur noch fünf Personen auf Vorschlag der anerkannten Naturschutzverbände berufen werden.
  4. Die Naturschutzbehörde soll weiter von der Pflicht entbunden werden, ihren Beirat über die beabsichtigten Stellungnahmen zu informieren.

Der Kreisverband Bergstraße des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND) fordert die Landesregierung auf, von den geplanten Verschlechterungen abzusehen und den Naturschutzbeirat im Sinne verantwortlichen demokratischen Handelns und Naturschutzes in die alten Rechte zu setzen.