2. August 2005
Roland Koch hat Popanz aufgebaut, um Rechte aller Bürgerinnen und Bürger zu beschneiden!
Von: BUND Hessen
Frankfurt. "Roland Koch hat einen Popanz aufgebaut". Das ist der zentrale Vorwurf des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) wegen der Behauptungen des Ministerpräsidenten zu einem übertriebenen Arten- und Naturschutz. "Das Gerede von der Investitionsbremse "Kammmolch" ist falsch", stellt BUND Vorstandssprecher Herwig Winter fest. Selbst nach einem Fachgutachten des Landes Hessen ist die Art ist in Hessen weiterhin nur lückenhaft verbreitet und im Bestand bedroht. Der von Ministerpräsident Roland Koch kritisierte Schutz des Kammmolchs in FFH-Gebieten gilt nach Ermittlungen des BUND wohl nur für unter ein Prozent der hessischen Landesfläche.
Früher kannten ihn nur wenige Biologen, nun kennt ihn ein ganzes Bundesland: den Kammmolch. Denn seit die Planer 2004 im Herrenwald exakt auf der politischen Wunschtrasse der hoch umstrittenen A 49 auf die größten jemals beschriebenen Kammmolch-Vorkommen in Hessen (?) mit mehreren tausend Tieren trafen, spricht die hessische Landesregierung mit Ministerpräsident Roland Koch an der Spitze von diesem unscheinbaren Tier als eine Art Staatsfeind. Der Kammmolch belege beispielhaft, dass wir es mit dem Naturschutz übertreiben. Schnell griff der Ministerpräsident zu harten Worten, fand, er mache sich vor den Bürgerinnen und Bürgern lächerlich, wenn die Landesregierung bei der Planung einer Autobahn auf die Kammmolche Rücksicht nehmen müsse und behauptete, der Kammmolch wäre weder selten noch gefährdet und verwies - sicher nicht ohne Schadenfreude - in seiner Landtagsrede am 7. 12. 04 als Beleg für seine Aussagen auf die Internetseite der Kollegen vom NABU (Naturschutzbund Deutschland).
Die Realität sieht nach Recherchen des BUND jedoch ganz anders aus als der Ministerpräsident glauben machen will. Denn beträgt die Gesamtfläche aller europäischen Schutzgebiete mit Kammmolchvorkommen, die nach der Fauna-Flora-Habitat Richtlinie (FFH- Richtlinie) von der Landesregierung ausgewählt wurden, zusammen schon nur drei Prozent (65.803 ha), ist die tatsächlich besiedelte Fläche in den FFH-Gebieten noch deutlich kleiner. Da der Kammmolch sich nur in wenigen Fällen mehr als 500 Meter vom Laichgewässer entfernt, liegt die tatsächlich besiedelte und damit nach EU-recht geschützte Fläche wohl bei unter einem Prozent der Landesfläche. Was von Politikern wie Roland Koch gern verschwiegen wird: Der Schutz der FFH-Richtlinie gilt nicht pauschal für ein ganzes FFH-Schutzgebiet, sondern nur für die tatsächlich schutzwürdigen Teile innerhalb eines solchen Gebietes.
Auch der Gesamtlebensraum des Kammmolches in und außerhalb der Schutzgebiete liegt in Hessen weit unter fünf Prozent. Sie beträgt für alle 503 in Hessen bekannten Einzelvorkommen, von denen etliche eben nicht in FFH-Gebieten liegen, nur etwa anderthalb Prozent (knapp 40.000 Hektar). Selbst eine Grauzone unbekannter Vorkommen eingerechnet liegt die Siedlungsfläche des größten europäischen Molchs sicher nicht über drei Prozent der Landesfläche. Dabei ist die Mehrzahl der Vorkommen individuenarm (<50-100 Alttiere) und verinselt, findet also keinen Anschluss an andere Laichgewässer. Folgerichtig wurde der Kammmolch im speziellen Artgutachten, das die Landesregierung 2003 in Auftrag gab, in der Bedrohung nicht abgestuft, sondern weiterhin als "hochgradig bestandsbedroht" geführt. Die Verbreitung in allen Landesteilen, heißt es dort, zeige "auch einzelne größere Verbreitungslücken" und ein Vergleich mit der Bestandserfassung vor ca. 20 Jahren zeige, "dass der Kammmolch wohl weiterhin als die seltenste hessische Molchart gelten muss."
Doch statt mit ein klein wenig mehr Planungsverstand einfach sein Kammmolch-Problem zu umfahren, geht Roland Koch offenbar lieber auf Kollisionskurs zur Natur. und den Umweltvorschriften. Nach der Streichung der Verbandsklage im hessischen Naturschutzgesetz in 2002 zielt er nun mit den Stichworten "übertriebener Artenschutz", "zu lange Planungszeiten" und "zu lange Rechtswege" auf eine drastische Beschränkung der Beteilungungsrechte. "Roland Koch zielt auf den Kammmolch - und trifft alle Bürgerinnen und Bürger", kritisiert BUND Vorstandsprecher Herwig Winter.
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Thomas Norgall
Naturschutzreferent des BUND Landesverband Hessen e.V.
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Quelle: Landesverband