5. Oktober 2005

BUND-Bilanz zur Halbzeit der CDU-Alleinregierung in Hessen!

Von: BUND Hessen

Frankfurt. Der hessische Landesverband des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND Hessen) kritisiert zur Mitte der Legislaturperiode die Regierungspolitik von Ministerpräsident Roland Koch im Umwelt- und Naturschutz als überwiegend rückschrittlich und ungerechtfertigt polemisierend.

Statt Bürgermitsprache: Abbau von Beteiligungsrechten und Demontage des Ehrenamtes im Naturschutz

Das zentrale Regierungsversprechen "Kooperation statt Konfrontation" gilt nur für diejenigen, die die Natur zerstören oder (über-) nutzen wollen. Wer als Privatmensch die hessische Natur bewahren will, erlebt einen klaren Konfrontationskurs auf die gesetzlichen Schutznormen und seine Beteiligungsrechte.

Ministerpräsident Roland Koch geht offen auf Kollisionskurs zur Natur, zu Umweltvorschriften und zu den Umweltverbänden. Mit den Schlagworten "übertriebener Artenschutz", "zu lange Planungszeiten" und "zu lange Rechtswege" zielt er auf eine drastische Beschränkung der Beteiligungsrechte von Bürgerinnen und Bürgern und der anerkannten Naturschutzverbände in Planungsverfahren für Straßen, Flughäfen und Industrieansiedlungen.

Dazu passt sowohl die von der Landesregierung derzeit diskutierte erneute Änderung des Hessischen Naturschutzgesetzes, die zu einer deutlichen Schwächung der ehrenamtlich tätigen Naturschutzbeiräte führen wird, als auch die Installation einer Ad-hoc-Kommission unter Leitung des ehemaligen Wirtschaftsministers Dieter Posch (FDP), die Vorschläge für eine Beschleunigung von Planungsverfahren für öffentliche Infrastrukturprojekte erarbeiten soll.

Mit der Novellierung des Hessischen Naturschutzgesetzes im Jahr 2002 ist der Naturschutz in Hessen in allen Bereichen drastisch geschwächt worden. Die Stichworte des Niedergangs des Naturschutzes lauten: Aufweichung der Ausgleichsverpflichtung für Eingriffe, Zweckentfremdung der Naturschutz-Ausgleichsabgabe für jährliche Pflegemaßnahmen statt dauerhafte Flächensicherung sowie als Kapitalquelle für Landesstiftungen , Reduzierung des Naturschutzes auf die Vorgaben der Europäischen Union - als ob es keine typisch hessischen Arten, Biotope und Landschaften gäbe - , Klientelpolitik: über den Abschuss des Kormoran entscheidet nicht mehr die Naturschutz-, sondern die Fischereibehörde; notwendige Pflegepläne in Schutzgebieten werden zunehmend von der Forst- und Landwirtschaftsverwaltung erarbeitet und nicht zuletzt die Umkehrung der landespolitischen Leitlinie "Kooperation statt Konfrontation", das ganz offensichtlich für die Zusammenarbeit mit den ehrenamtlichen Naturschützern, nicht gelten soll.

Dirk Teßmer, Vorstandssprecher für das Thema Naturschutzrecht: "Und wenn es denn sein muss, scheut die Landesregierung auch nicht davor zurück, Gesetze Pläne und wichtige Schutzvorschriften für hochwertige Naturräume kurzfristig so zu ändern, dass Infrastrukturprojekte wie der Ausbau des Frankfurter Flughafens gegen alle Widerstände durchgesetzt werden können".

Statt zukunftsfähiger Verkehrspolitik: mehr Straßen durch die Landschaft, mehr Flugzeuge über den Dächern

Die vielbeschworene "Bürgernähe" der Regierungspolitik äußert sich auch so: Bürgerinnen und Bürger haben durch die einseitige Ausrichtung der hessischen Verkehrspolitik auf den Straßenbau mehr Verkehrslärm und Schadstoffe zu ertragen. So will die CDU nicht nur die Autobahnplanungen A 44 Kassel-Wommen, A 49 Neuental-Gemünden, A 661 Riederwaldtunnel in Frankfurt am liebsten gegen naturschutzrechtliche Vorgaben durchsetzen, sie spricht sich auch für eine Wiederbelebung einer schon eingemotteten Planung, nämlich der A 4 durch das Rothaargebirge, aus. Darüber hinaus setzen sich Ministerpräsident Koch und sein Verkehrsminister Rhiel für die zügige Planung einer Bundesstraße (B 87 n Fulda-Meiningen) mitten durch das Biosphärenreservat Rhön ein. Die Mittel für den Straßenbau insgesamt werden stetig erhöht und gleichzeitig wird für die Jahre 2005 bis 2007 ein Sonderprogramm für den Landesstraßenbau in Höhe von 50 Mio. EURO aufgelegt.

Dagegen werden die Landesmittel für den ÖPNV seit Jahren zurückgefahren. In Verbindung mit der Reduktion der Mittel für Verkehrsinvestitionen im Schienenbereich aufgrund des sogenannten "Koch-Steinbrück-Papiers" zum Subventionsabbau resultieren aus den verringerten Finanzmitteln Angebotseinschränkungen bei den beiden hessischen Verkehrsverbünden.

Brigitte Martin, Vorstandssprecherin für das Thema Flughafenausbau: "Durch den geplanten Ausbau des Frankfurter Flughafens werden die Bürgerinnen und Bürger im Rhein-Main-Gebiet mit noch mehr Lärm und Schadstoffen belastet. Es wird unersetzlicher Erholungsraum für die Menschen und Lebensraum für viele hoch bedrohte Tiere und Pflanzen vernichtet. Für mich ist dies ein zynisches Beispiel für die viel beschworene Bürgernähe der Regierungspolitik."

Otto Löwer, Landesvorstandsmitglied aus Kassel: "Der Einsatz von Ministerpräsident Koch für die hoch subventionierte Erweiterung des Provinzflughafens Kassel-Calden, den sogar die Luftverkehrswirtschaft ablehnt, ist pure Geldverschwendung und Ausdruck arroganter Machtausübung einer Alleinregierung."

Statt zukunftsfähiger Energieversorgung und ambitionierter Klimaschutzpolitik: Laufzeitverlängerung für das AKW Biblis, Alibiveranstaltung Umweltallianz

Die Energiepolitik von Ministerpräsident Koch ist rückwärts gerichtet und setzt vorrangig auf Atomkraft. Die Landesregierung ermöglicht nicht nur den Weiterbetrieb der beiden maroden Reaktorblöcke des AKW Biblis, obwohl es serienweise Störfallmeldungen und Betriebsvorfälle gibt, sondern propagiert auch, unbeeindruckt von der Tatsache, dass beide Blöcke gegen Flugzeugabstürze nicht geschützt sind, eine Laufzeitverlängerung des AKW Biblis über die Regellaufzeiten des Atomkonsens hinaus.

Fördermaßnahmen der früheren rot-grünen Landesregierung für Energieeinsparung, Kraft-Wärme-Kopplung und Solarenergie sind unter der Regie von Ministerpräsident Koch fast vollständig eingestellt worden. Die ehemals fachlich und sachlich gut ausgestattete Energieabteilung wurde bis auf minimale Reste reduziert und auf verschiedene Ministerien und Ressorts zersplittert. Die erfolgreiche Landesenergieagentur hessenENERGIE wurde an einen regionalen Energieversorger verkauft. Das Impulsprogramm für Fort- und Weiterbildung wurde ebenfalls weitgehend eingestellt.

Als Beitrag für eine hessische Klimaschutzpolitik hat die Landesregierung zwar angekündigt, ein "Integriertes Klimaschutzprogramm" (INKLIM) erstellen zu lassen. Dies geschieht jedoch vollständig hinter den Kulissen; eine Beteiligung der Öffentlichkeit und von Umweltverbänden ist bislang nicht erfolgt.

Für die seit fünf Jahren existierende und von der Landesregierung hochgelobte Umweltallianz zwischen Behörden und Wirtschaft gibt es immer noch keine Bilanz über die mit der freiwilligen Selbstverpflichtung der Wirtschaft erreichten Verbesserungen im Umweltschutz .

Peter Hansen, Vorstandssprecher des BUND Hessen: "Unter Ministerpräsident Roland Koch ist Hessen von einer zukunftsfähigen Energiepolitik meilenweit entfernt. Es fehlt eine zukunftsfähige Gesamtstrategie, die effiziente Wärme- und Stromnutzung, effiziente Strom- und Wärmeerzeugung durch Kraft-Wärme-Kopplung und umfassende erneuerbare Energiebereitstellung fördert."

Statt Wahrung der Verbraucherrechte: Widerstand gegen Transparenz und klare Haftungsregeln bei der Agro-Gentechnik

In Sonntagsreden wird viel über den mündigen Bürger und Stärkung seiner individuellen Freiheit gesprochen, bei der Agro-Gentechnik will man ihm zu viel Transparenz aber nicht zumuten. Die Landesregierung setzt sich dafür ein, den Zugang zum offiziellen Standortregister zu versperren und bei gentechnischer Verschmutzung von Nachbarfeldern die Haftungsregeln aufzuweichen.

Michael Rothkegel, Geschäftsführer: "Der Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen soll gefördert und der Schutz der gentechnikfreien Landwirtschaft soll aufgeben werden. Das wäre das Ende der Wahlfreiheit für Landwirte und Verbraucher."

Statt Ausbau einer umweltverträglicheren Landwirtschaft: Einschränkung der Förderung des Ökolandbaus

Obwohl der Markt für Bioprodukte sich rapide verändert, der deutsche Naturkostmarkt im zweistelligen Prozentbereich wächst und ausländische Bioprodukte immer mehr Marktanteile gewinnen, erhalten Hessens Bio-Landwirte, die im letzten Jahr ihren Betrieb vergrößert haben, für die neuen Flächen in diesem Jahr keine Öko-Förderung. Weiterhin sind auch Neuumsteller auf den Biolandbau vom Förderstopp der Landesregierung betroffen.

Jörg Nitsch, Vorstandssprecher für Agrarpolitik: "Diese Politik der Landesregierung ist sowohl umweltpolitisch als auch vor dem Hintergrund der stark wachsenden Biomärkte kontraproduktiv. Mit der Öko-Förderung werden die Umweltleistungen honoriert, die die Bio-Landwirte für die Gesellschaft erbringen. Denn es ist mittlerweile unstrittig, dass der Öko-Landbau angewandter Umwelt-, Natur- und Ressourcenschutz ist und damit an anderer Stelle Kosten vermeiden hilft. Für den Biolandwirt entstehen jedoch Mehrkosten, die nicht über die höheren Biopreise ausgeglichen werden."

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Michael Rothkegel
Geschäftsführer BUND Landesverband Hessen e.V.
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Quelle: Landesverband