26. August 2008

Naturschutz ist wichtiger denn je

Von: Claudia Dirr

Der Biologe Dr. Stefan Nawrath referiert auf der Hauptversammlung des BUND Bergstraße über Klimawandel und Artenschutz

„Höhere Temperaturen, extreme Wetterlagen und Verschiebungen bei den Feuchteperioden bedeuten Stress für Pflanzen und Tiere“, verdeutlicht Dr. Stefan Nawrath von der Projektgruppe Biodiversität und Landschaftsökologie den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Artenschutz. Seit dem Weltumweltgipfel in Rio im Jahr 1992 wird dem Schutz der Pflanzen- und Tierarten mehr Bedeutung zugemessen und die EU formulierte das Ziel, den Artenrückgang bis 2010 zu stoppen. Die Erderwärmung erschwert dies: Forscher fanden heraus, dass bei einer Erhöhung der durchschnittlichen Temperatur um 1,5 bis 2,5 Grad 15 bis 37 Prozent der Arten aussterben würden.

Neben der Erwärmung werden für die Zukunft weniger Regen im Frühjahr und Sommer und größere Niederschlagsmengen im Winter prognostiziert. Schon jetzt belegen die Daten von Messstationen, dass der Beginn und die Dauer der Jahreszeiten sich über die Jahrzehnte verschoben haben. Die Winter werden kürzer, die Vegetationszeiten länger. Hessenweit zeigt sich dies in Südhessen besonders deutlich: Hier beginnt die Vegetationsperiode nun 19 Tage früher. Kältezeigerpflanzen wie der Wald-Storchschnabel, das Bergrispengras oder Arnica sind dadurch mehr bedroht. Außerdem verändert sich auch die Phänologie der Pflanzen, zum Beispiel der Zeitpunkt der Blüte oder der Laubverfärbung.

Aufgrund der längeren Vegetationsphasen breiten sich vermehrt gebietsfremde Arten aus. Als Beispiele nennt Nawrath Pflanzenschädlinge wie den Eichenprozessionsspinner, die Rosskastanien-Miniermotte oder den Maiswurzelbohrer. Dieser Käfer wurde mit einem Beizmittel bekämpft, das in diesem Frühjahr viele Bienenvölker zerstörte. Erstmals 2007 wurde in der Rheinebene der aus den Tropen stammende Tigermoskito gesichtet, der tropische Krankheiten wie das Dengue-Fieber überträgt.

Neue Schädlinge: Maiswurzelbohrer, Tigermoskito und Beifußambrosie

Aus den USA stammt die hochallergene Beifuß-Ambrosie, die bis den Oktober hinein mehrere Millionen Pollen pro Pflanze ausstreut. Sie wurde in Hessen erstmals in einem Baugebiet in Griesheim entdeckt. Besonders häufig findet man sie entlang der Autobahnen und über Vogelfutter aus Osteuropa gelangen die Samen in die Gärten.

Auch die Waldvegetation verändert sich unter dem Einfluss des Klimawandels. Die Baumkronen werden lichter und lassen mehr Helligkeit nach unten. Am Boden vermehren sich Pflanzen, die für die Forstwirtschaft nicht so wertwoll sind, etwa die Späte Traubenkirsche, der Götterbaum und die armenische Brombeere. Generell sollten die Wissenschaftler beim Auftreten gebietsfremder invasiver Arten schneller beurteilen, ob diese Schaden anrichten oder unproblematisch sind, meint der Botaniker Nawrath. Haben sich unerwünschte Neulinge erstmal eingenistet, wird die Bekämpfung aufwendig und kostenintensiv.

Als Ziel nennt Nawrath den dynamischen Biodiversitätsschutz. „Das Ökosystem muß die besten Möglichkeiten zur Eigenregulation erhalten“. Deshalb sei es wichtiger denn je, möglichst große Naturschutzgebiete auszuweisen, Biotope zu vernetzen, die Wälder naturnah zu bewirtschaften und vor allem in der Landwirtschaft verstärkt auf extensive Grünlandwirtschaft umzusteigen. „Naturschutzmaßnahmen können dazu beitragen, Klimaextreme abzumildern“, resümiert der Biologe.