19. Januar 2008
Politiker antworten Umweltschützern
Heppenheim. "In den vergangenen Jahren hat die Natur Hessens in vielen Bereichen verloren, so auch im Kreis Bergstraße", resümiert der Kreisvorstand des Bundes für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND). Bei der hessischen Landtagswahl 2008 geht es nach Meinung der Verbandsaktiven um wichtige Weichenstellungen für den Schutz der Umwelt, des Klimas, der Verbraucher und der Natur. Die wichtigsten BUND-Forderungen an die künftigen Landespolitiker sind als "Brennpunkte" in einem Faltblatt zusammengefasst, das zur Zeit kreisweit zugestellt wird. Zu den Brennpunkten gehören unter anderem eine bessere Umweltbildung, die Stärkung des Bioanbaus, den Verzicht auf Kohlegroßkraftwerke und Atomkraftnutzung, den Stopp des Flughafenausbaus und den Einsatz für die Artenvielfalt.
Wie sich die einzelnen Parteien zu den BUND-Brennpunkten positionieren, sollte mit sogenannten Wahlprüfsteinen geklärt werden. Der BUND Arbeitskreis Energie erarbeitete Fragen zur Strom- und Wärmeeffizienz, erneuerbaren Energien und Verkehr, der Kreisverband Bergstraße formulierte zusätzlich Fragen zu den Themenkomplexen Wald, Landschafts-, Flächen- und Gewässerschutz. Für die Beantwortung hatten die Kandidaten der Wahlkreise Bergstraße Ost und West vier Wochen Zeit.
Die Wahlprüfsteine Energie wurden von CDU, SPD, Grünen, FDP und Die Linke beantwortet. Hier ein Auszug aus dem Fragenkatalog mit den Antworten in gekürzter Version:
Frage: "Unterstützen Sie den Ausbau der Windkraft in Hessen unter Beachtung des Schutzes von Natur und Bevölkerung?"
Nach Ansicht der CDU ist Hessen kein klassisches Wind-Land. Die SPD bekennt sich zum Ausbau der Windkraft in Hessen, für die Grünen kommen 250 zusätzliche Standorte in Betracht. Die FDP unterstützt Windräder in wenigen dafür geeigneten Gebieten und die Linke fordert den weiteren Ausbau von Windkraftanlagen.
Frage: "Werden Sie sich dafür einsetzen, dass beide Blöcke Biblis A und B spätestens zu den im sog. Atomkonsens vereinbarten und im Atomgesetz niedergelegten Fristen abgeschaltet werden?"
Die CDU setzt sich "aus Gründen des Klimaschutzes, der Versorgungssicherheit und der Erhaltung der Wettbewerbsfähigkeit für einen Weiterbetrieb von Biblis A und B ein". Die SPD will an der geplanten Stilllegung des Kraftwerks festhalten. Die Grünen fordern eine schnelle Abschaltung und Übertragung der Strommengen auf neuere AKW. Die FDP lehnt den Atomausstieg unter Verweis auf die Versorgungssicherheit ab. Die Linke plädiert für das sofortige Abschalten von Biblis A.
Frage: "Werden Sie sich Bestrebungen zum Anbau gentechnisch veränderter Energiepflanzen in Hessen entgegenstellen?"
Die CDU verneint dies, sie hält die Gentechnik für eine Zukunftstechnologie. Die SPD lehnt Gentechnik für die Energie- wie für die Nahrungsmittelerzeugung ab; ebenso lehnen die Grünen die Agrogentechnik grundsätzlich ab. Auch FDP und Die Linke äußern sich negativ zu gentechnisch veränderten Energiepflanzen.
Frage: "Halten Sie den geplanten Steinkohleblock 6 am Standort Großkrotzenburg (Staudinger) für entbehrlich?"
Nach Ansicht der CDU wird die Kohle auch weiterhin Bestandteil des Energiemix bleiben. SPD, Grüne, FDP und die Linke lehnen den Neubau von Kohlegroßkraftwerken ab.
Frage: "Halten Sie es angesichts der allgemein akzeptierten Notwendigkeit, die CO2-Emissionen drastisch zu reduzieren, für verantwortbar, den Flughafen Frankfurt/M. auszubauen?"
Dies bejahen CDU, SPD und FDP unter Verweis auf die wirtschaftliche Bedeutung des Flughafens Rhein-Main. Die SPD setzt zur Reduktion der CO2-Emissionen auf die Entwicklung besserer Flugtreibstoffe und Antriebstechnologien und auf die Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf andere Verkehrswege. Grüne und Die Linke kämpfen gegen den Flughafenausbau; die Linke will große Teile des innereuropäischen Flugverkehrs auf die Schiene verlagern, während die Grünen eine Kooperation mit anderen Flughäfen vorschlagen.
Auf die Wahlprüfsteine des BUND-Kreisverbands antworteten Karin Hartmann (SPD), Haymo Hoch (Republikaner) sowie Dr. Bruno Schwarz und Kay Lejcko (Die Linke). Hier die Fragen mit den gekürzten Antworten:
Fragenkomplex Wald: "Wie beurteilen Sie den aktuellen Zustand der Wälder im Kreis Bergstraße? Sehen Sie die Notwendigkeit, den Waldzustand zu verbessern? Wenn ja, mit welchen Maßnahmen? Würden Sie die Einführung eines Eingriffs- und Nutzungsverbots unterstützen? Welche Möglichkeiten sehen Sie, Waldpädagogik unter fachkundiger Leitung einzuführen?"
Die SPD-Kandidatin sieht den Kreis Bergstraße stärker belastet als andere Regionen Hessens. Sie verweist auf ein Waldsanierungsprogramm ihrer Partei, das im Landtag keine Mehrheit fand. Ein Eingriffs- und Nutzungsverbot kann nach ihrer Ansicht nicht pauschal ausgesprochen werden. Waldpädagogik werde vor allem bei Jugendlichen zunehmend wichtiger, dabei leisten die Jugendwaldheime in Hessen einen guten Beitrag.
Der Kandidat der Republikaner bewertet den Waldzustand im Ried als schlecht, im Odenwald als gut. Im Ried müsse die Grundwasserförderung reduziert werden, im Odenwald sei zu verhindern, dass Windkraftanlagen die Wälder zerstören. Ein Eingriffs- und Nutzungsverbot sowie spezielle Waldpädagogik lehnt er ab.
Die beiden Kandidaten der Linken bestätigen den schlechten Waldzustand und schlagen zur Verbesserung eine Verringerung des Individualverkehrs sowie im Ried ein Ende der unkontrollierten Versickerung von Rheinwasser vor. Ein Eingriffs- und Nutzungsverbot wird für einen gewissen Anteil des Waldes begrüßt. Waldpädagogik gelinge durch eine Zusammenarbeit zwischen Schulen, Forstämtern und Naturschutzverbänden.
Fragenkomplex Landschafts- und Flächenschutz: "Sehen Sie Möglichkeiten, den zunehmenden Flächenverbrauch landwirtschaftlicher Flächen durch marktwirtschaftliche Steuerungselemente wie eine Versiegelungsabgabe zu bremsen? In welcher zeitlichen Perspektive sehen Sie einen Stopp des Flächenverbrauchs und wie soll er erreicht werden? Wie soll im Fall Ihrer Regierungsbeteiligung der durch die Aufhebung der großen Landschaftsschutzgebiete entfallene Schutz der großen Landschaftsschutzgebiete wiederhergestellt werden?"
Die SPD-Kandidatin betont, dass ihre Partei intensiver darüber diskutiere, ehemals genutzte Flächen vorrangig neu zu nutzen, anstatt "junge" Flächen umzuwidmen. Eine Versiegelungsabgabe als negative Sanktionierung sollte, wenn überhaupt, erst die zweite Lösung sein. Die SPD werde das Hessische Naturschutzgesetz umfassend prüfen und alles dafür tun, das Landschaftsschutzgebiet Bergstraße-Odenwald wieder herzustellen.
Der Kandidat der Republikaner sieht in einer Versiegelungsabgabe kein marktwirtschaftliches Steuerungselement. Der Flächenverbrauch werde sich auf Null reduzieren oder sogar umkehren, wenn die Bevölkerung schrumpft. In einem Wirtschaftszentrum wie Südhessen sei ein einseitiger Vorrang des Naturschutzes nicht möglich.
Die beiden Kandidaten der Linken halten den Erfolg einer Versiegelungsabgabe für fraglich, nur gleichwertige Ausgleichsmaßnahmen könnten effektiv wirken. Der Flächenverbrauch werde durch den zu erwartenden Bevölkerungsrückgang gestoppt werden. Die Linken wollen darauf drängen, die Aufhebung der Landschaftsschutzgebiete rückgängig zu machen.
Fragenkomplex Gewässerschutz: "Welche Maßnahmen schlagen Sie vor, um Flussauen von weiterer Bebauung frei zu halten und an den Wehren die Durchgängigkeit für Fische zu erhöhen? Wie wird der zunehmenden Förderung durch die Riedgruppe Ost entgegengewirkt?"
Die SPD-Kandidatin stellt fest, dass die Fisch-Durchgängigkeit von Wehren heute technisch kein Problem darstellt. Ihre Partei habe sich gegen eine Erhöhung der Wasserentnahmen durch die Riedgruppe Ost ausgesprochen. Der kommunale Einfluss auf die Wasserförderung solle bestehen bleiben, da nur so eine dauerhafte Qualitätskontrolle garantiert werden kann.
Der Kandidat der Republikaner hält eine Durchgängigkeit für Fische nicht für notwendig. Es müsse nicht überall Fische geben. Wasserlieferungen aus dem Ried in den Raum Frankfurt sollten reduziert werden.
Die Kandidaten der Linken verweisen auf das Thüringer Wassergesetz, das ein vollständiges Bebauungsverbot für noch unbebaute Flussauen festlegt. Für Fische und andere Bachbewohner müssten Wehrumgehungen eingerichtet werden. Der zunehmenden Förderung von Trinkwasser könne nur durch einen Bewusstseinswandel hinsichtlich des eigenen Wasserverbrauchs entgegengewirkt werden. Im Ried müsste der Sickerwassereintrag erhöht werden.