30. November 2007
Umweltauswirkungen von Atomstrom werden verharmlost / Hessen muss Ökostrom importieren
Von: BUND Hessen
Frankfurt. Der Arbeitskreis Energie im BUND Hessen hat 2007 erstmals die hessischen Energieversorgungsunternehmen (EVU) zur Stromkennzeichnung befragt, also zum Strommix und zu den Umweltauswirkungen des verkauften Stroms. Klar bestätigt habe die Umfrage, dass Hessens Energieversorger deutlich weniger Atomstrom verkaufen als den von der Landesregierung oft genannten Anteil in Höhe von ca. 60%, den das AKW Biblis produzieren soll. Ebenso sei deutlich geworden, dass hessische EVU Ökostrom importieren müssen, um die Nachfrage ihrer Kunden nach regenerativ erzeugtem Strom bedienen zu können.
Die Angaben zu den Umweltauswirkungen des Atomstroms im Rahmen der Stromkennzeichnung bewertet der BUND Hessen als verharmlosend und intransparent. Der Umweltverband fordert eine allgemein verständliche Veranschaulichung des Gefährdungspotenzials der radioaktiven Abfälle anstelle der Angabe, wie viel Atommüll pro kWh Stromerzeugug entsteht. Im bundesdeutschen Durchschnitt werden für das Jahr 2005 514 g CO2 und 0,0008 g radioaktiver Abfall pro erzeugter kWh Strom angegeben. Die Angabe der Menge an erzeugtem Atommüll in derselben Masseneinheit wie die Angabe des erzeugten CO2, nämlich in g/kWh, lässt den Eindruck entstehen, dass diese minimalen atomaren Abfallmengen für Umwelt und Gesundheit belanglos seien.
Prof. Hans Ackermann, Leiter des Landesarbeitskreises Energie: "Es ist generell irreführend, radioaktive Abfälle in Masseneinheiten analog den CO2 -Emissionen aufzuführen. Bei radioaktiven Substanzen sind nicht irgendwelche Umweltauswirkungen das Kernproblem, sondern vielmehr die durch potenzielle Freisetzung von Radioaktivität riskierten Gesundheitsschäden. Deren mögliches Ausmaß erschließt sich dem Bürger jedoch nicht aus einer Massenangabe, denn jede noch so kleine Menge freigesetzte Radioaktivität kann eine Krebserkrankung hervorrufen."
Eine Betrachtung, mit welcher Wassermenge der radioaktive Abfall verdünnt werden muss, um die Trinkwasser-Grenzwerte zu unterschreiten, würde veranschaulichen, welche extremen Anforderungen an ein Atommüll-Endlager gegen Leckagen über Zehntausende von Jahren oder auch gegen ein Verseuchungsrisiko durch Freisetzungen aus Reaktoren, Lagern und Wiederaufarbeitungsanlagen im Normalbetrieb und bei Unfällen zu stellen sind.
Nach Abschätzungen des BUND sind für die bei der Erzeugung von nur einer Kilowattstunde Atomstrom anfallenden Abfälle nach 100 Jahren Abklingzeit noch etwa 80 m³ Wasser erforderlich, um die Grenzwerte der radioaktiven Belastung im Trinkwasser einzuhalten.
Prof. Ackermann: "In einem Reaktorblock der 1000 Megawatt-Klasse (Biblis Block A hat eine elektrische Bruttoleistung von 1225 Megawatt) entsteht im Normalbetrieb jährlich eine Abfallmenge von ca. 30 Tonnen abgebrannter Brennelemente. Nach 100 Jahren Abklingzeit sind noch etwa 1000 Kubikmeter Wasser erforderlich, um diese Menge Abfälle soweit zu verdünnen, dass die Trinkwasser-Grenzwerte unterschritten werden. Die globale Gesamt-Wassermenge aller Flüsse auf der Erde beträgt etwa 2000 Kubikkilometer."
Beim Strommix der hessischen EVU sei bemerkenswert, dass der verkaufte Anteil erneuerbarer Energien mit im Mittel fast 17% deutlich höher liege als der Bundesdurchschnitt von 11%. Da Hessen im Referenzjahr 2005 seinen Strom nur zu 4,6% aus erneuerbaren Energien erzeugte, werde deutlich, dass die hessischen EVU wesentlich mehr Ökostrom aus anderen Bundesländern importieren mussten als sie selbst herstellen konnten.
Der Anteil Atomstrom bei den von den hessischen EVU gelieferten Strommix liege zwar über dem Bundesschnitt von 29%, jedoch werde der von der Landesregierung immer wieder zitierte Anteil von 60% deutlich verfehlt.
Guido Carl, Energiereferent des BUND Hessen, stellt fest: "Da der vom AKW Biblis produzierte, in Hessen aber nicht abgenommene Atomstrom exportiert wird, muss Hessen weit weniger von Atomstrom abhängig sein, als die Landesregierung glauben machen will."
Von den 51 hessischen EVU mit Stromvertrieb haben 44 Angaben zur Stromkennzeichnung gemacht. Für den Strommix haben die EVU die prozentualen Anteile an der Gesamt-Stromerzeugung für die Kategorien fossile Energien, erneuerbare Energien und Kernkraft angegeben, zumeist für das Jahr 2005.
Stromkennzeichnung hessischer Energieversorgungsunternehmen unter der ökologischen Lupe (PDF 765 KiB)
Ergebnisse einer EVU-Befragung des AK Energie, BUND Hessen für das Jahr 2007
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