21. August 2009
Urteil des Verwaltungsgerichtshofes zum Flughafenausbau Frankfurt- Eine schallende Ohrfeige für die Landesregierung zum Nachtflugverbot!
Von: BUND Hessen
Der BUND ist über das heutige Urteil des Verwaltungsgerichtshofes in Kassel (VGH Kassel) enttäuscht, weil es den Ausbau und die Naturvernichtung bestätigt. Die Aufhebung der Nachtflüge zwischen 23 und 5 Uhr bewertet der BUND hingegen als schallende Ohrfeige für die Landesregierung. BUND-Vorstandssprecherin Brigitte Martin fordert Wirtschaftsminister Dieter Posch (FDP) auf, „endlich Ruhe zu geben und das vom VGH geforderte Nachtflugverbot zu akzeptieren.“ Auch hinsichtlich des Fluglärms in den Nachtrandstunden wird das Urteil vom BUND begrüßt. Erschreckend ist für den Verband der Umgang des Gerichts mit dem Risiko des Vogelschlages. Der BUND wird alle Möglichkeiten nutzen, die Entscheidung in der nächsten Instanz vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) korrigieren zu lassen. „Der Kampf gegen den Lärm und die Naturzerstörung durch den Flughafenausbau ist noch nicht zu Ende“, erklärt Brigitte Martin.
Mit Genugtuung hat der BUND die Entscheidung des VGH zum Nachtflugverbot aufgenommen „Die Argumentation des Landes ist zusammengebrochen und als einseitige Unterstützung der Luftfahrt erkennbar geworden“, freut sich die BUND-Sprecherin. „Eindrucksvoll“ werde der Wortbruch von Ministerpräsident Roland Koch (CDU) durch den Richterspruch entlarvt. Koch hatte jahrelang erklärt, dass für ihn ein Junktim zwischen dem Ausbau und dem Nachtflugverbot von 23 bis 5 Uhr bestehe und er als Ministerpräsident keinem Ausbau ohne Nachtflugverbot zustimmen werde, war jedoch wenige Monate vor der Baugenehmigung umgefallen und hatte den Flughafenausbau mit Nachtflügen in der versprochenen Tabuzeit genehmigen lassen. Erfreulich ist das Urteil aus Sicht des BUND auch hinsichtlich der so genannten Nachtrandstunden von 22 bis 23 und von 5 bis 6 Uhr. Die VGH-Entscheidung mache auch hier deutlich, dass die Landesregierung den Schutz der Bevölkerung vor Fluglärm in der Nacht insgesamt unzureichend gewürdigt und in diesem Punkt einseitig zu Gunsten der Luftfahrt entschieden hatte.
Erschreckend ist für den Verband der Umgang des Gerichts mit dem Risiko des Vogelschlages, denn bis heute ist die Funktionalität des im Planfeststellungsbeschluss angeordneten Vorwarnsystems nicht nachgewiesen. Auf ganzer Linie enttäuschend ist die Entscheidung des Gerichts für den BUND hinsichtlich der Belange des Naturschutzes. „Wir erleben hier einen massiven Wertungswiderspruch“, meint BUND-Sprecherin Brigitte Martin. Während EU-Umweltkommissar Stavros Dimas sagt, dass „der Artenverlust eine ebenso große Gefahr und ebenso besorgniserregend wie der Klimawandel“ ist, folgen die Kasseler Richter wie große Teile der deutschen Politik immer noch dem alten Wachstumsglauben, in dem der Verzicht auf ein Großprojekt aus Rücksicht auf ein wertvolles Naturschutzgebiet nicht vorstellbar ist. Nur aus diesem Blickwinkel werde verständlich, dass das Gericht dem Land in der kuriosen Meinung gefolgt sei, wonach Beeinträchtigungen der geschützten Waldökosysteme durch Stickstoffeinträge ausgeschlossen (!) seien. Der BUND erneute seine scharfe Kritik an den vom Land Hessen vorgesehen Ausgleichsmaßnahmen, bei denen leider nach dem Prinzip „Masse statt Klasse“ vorgegangen worden sei. Insbesondere die Aufstellung mehrerer tausend der für die neue Landebahn gerodeten und nun toten Bäume in den verbleibenden Waldflächen ist für den BUND eine reine Alibi-Maßnahme ohne dauerhafte Wirkung.
Da das Land Hessen - und nun auch der Verwaltungsgerichtshof - zwingende Vorschriften des deutschen und europäischen Naturschutzrechts nicht beachtet hat, ist eine Anfechtung des Urteils vor dem Bundesverwaltungsgericht geboten. Trotz Erfahrungen nach den Rodungen für die Startbahn 18-West und der entsprechenden Risikodarstellung des RP Darmstadt am Ende des Raumordnungsverfahrens ignorierte nun auch der Verwaltungsgerichtshof rechtsfehlerhaft das Risiko, dass die verbleibenden Waldinseln mit einer Gesamtgröße von weiteren 200 Hektar wegen der massiven Eingriffe in die zentralen Waldbereiche des „Kelsterbacher Waldes“ degenerieren und verschwinden werden. Der Ausbau des Frankfurter Flughafens führt zur Rodung von 291 Hektar Wald. Der Waldverlust ist um 40 Prozent größer als bei der Startbahn 18-West und betrifft vor allem Bannwald, der Anfang der 90er Jahre extra zum Schutz gegen eine Flughafenerweiterung ausgewiesen worden war. Betroffen sind von der Rodung insbesondere die beiden europäischen Naturschutzgebiete „Kelsterbacher Wald“ und „Mark- und Gundwald“. Die Zahl der gefährdeten Pflanzen- und Tierarten, die vom Ausbau betroffen sind, ist lang. Prominentester Vertreter ist der Hirschkäfer, der im Kelsterbacher Wald vor der Rodung ein Massenvorkommen von über 16.000 Tieren besaß. Zum Vergleich: Das zweitbeste Hirschkäfer-Gebiet in Deutschland beherbergte eine Zahl von „nur“ ca. 1.000 Tieren. Bei diesem Gebiet handelte es sich um den „Mark- und Gundwald“, dessen bester Hirschkäfer-Wald jedoch ebenfalls wegen des Flughafenausbaus gerodet wird. Die zum Ausgleich dieser gewaltigen Verluste vorgesehenen Wälder können die Bestände nicht ersetzen. Sie liegen südlich des Flughafens und haben nasse, z.T. im Winter sogar vollständig überstaute Böden, in denen sich die Engerlinge des Hirschkäfers nicht entwickeln können.