30. Juni 2009

BUND fordert Wärmelastplan für den Rhein / Rhein im Durchschnitt 3°C wärmer als vor 100 Jahren

Von: BUND Hessen

Mainz. Wiesbaden. Die Rheintemperatur an der deutsch-niederländischen Grenze liegt inzwischen drei Grad über dem natürlichen Niveau. Zwei Grad resultieren aus den Abwärmeeinleitungen (überwiegend aus Kraftwerken) entlang des Rheins und seiner Nebenflüsse, ein Grad ist bereits auf den Klimawandel zurückzuführen. Der Abschnitt zwischen Worms und Mainz ist der mit den höchsten Wassertemperaturen. Dies sind die Ergebnisse einer neu erstellten Studie des BUND zur Wärmelast des Rheins.

Seit 1971 gibt es keine Aktualisierung mehr eines amtlichen Wärmelastplanes für den Rhein. Mit seiner Abwärmestudie legt der BUND erstmals wieder seit einer Generation aus bisher nur verstreuten amtlichen Angaben ein Abwärmekataster für das internationale Rheineinzugsgebiet vor. Die Studie wurde von den im Rheineinzugsgebiet liegenden BUND-Landesverbänden beauftragt und von Dr. Jörg Lange (Freiburg) bearbeitet und gibt Antworten auf folgende Fragen: Wer leitet wo, wie viel Abwärme in den Rhein und seine Nebenflüsse ein? Welche Energiekonzerne müssen sich künftig ankreiden lassen, das Lachswiederansiedlungsprogramm zu gefährden? Die Abwärmeeinleitungen aus Kraftwerken, Industriebetrieben und Kläranlagen betragen im Rheineinzugsgebiet mehrere 10.000 Megawatt (MW). (Zum Vergleich: Die elektrische Leistung der beiden Atomreaktoren in Biblis liegt bei jeweils 1.200 MW.) Absolute Spitzenreiter sind die beiden Atomreaktoren der Electricite de France im elsässischen Fessenheim. Sie besitzen keine Kühltürme und heizen allein mit annähernd 4.000 MW das Wasser des Rheinseitenkanals um mehr als 2°C auf.

Dr. Heinz Schlapkohl (stellvertretender Landesvorsitzender, BUND Rheinland-Pfalz) schlägt vor: „Die in der deutschen Umweltpolitik bereits in den 1980er Jahren diskutierte Abwärmeabgabe muss in Berlin und Brüssel wieder auf die politische Agenda gesetzt werden: In Zeiten eines sich rasant beschleunigenden Klimawandels müssen die Abwärmeeinleiter auch über den ökonomischen Hebel gezwungen werden, ihre thermischen Zumutungen gegenüber der Rheinökologie zu vermindern.“

Jörg Nitsch (Landesvorstand, BUND Hessen) ergänzt: „Sowohl wegen der Kohlendioxid-Einträge in die Atmosphäre, als auch wegen der Wärmeeinträge in die Flüsse ist der Bau der Kohlekraftwerke in Mainz und in Hanau (Staudinger) unverantwortlich. Das Programm zur Wiederansiedlung des Lachses im Rheineinzugsgebiet muss durch Maßnahmen zur Reduzierung des Wärmeeintrags flankiert werden. Es darf nicht das Gegenteil geschehen.“ Lachse, die im Sommer den Rhein aufwärts wandern ("Jakobslachse") stellen bei 25 Grad Rheinwassertemperatur ihreWanderung ein ("Thermische Barriere"). Die Temperaturen im Rhein erreichen aber inzwischen bis zu 28 Grad.

Der Leiter der landesverbandsübergreifenden BUND-AG Rhein Heinz Schlapkohl warnt: „Mit dem Temperaturanstieg im Rhein und seinen Nebenflüssen (insbesondere Neckar, Untermain, Wupper, Saar, Lippe) steht auch die Umsetzung der EG-Wasserrahmenrichtlinie in Frage.“ Die Wasserrahmenrichtlinie schreibt vor, dass in den europäischen Flüssen der "gute ökologische Zustand" bis zum Jahr 2015 - mit Verlängerungsmöglichkeiten bis 2021 bzw. 2027 - erreicht werden muss. Der von der EU gefordert "gute ökologische Zustand" drückt sich vor allem durch eine intakte Fischfauna aus. Die „thermische Barrierewirkung“ der Abwärmeeinleitungen lässt diesbezüglich aber eine Zielverfehlung erwarten.

Gleichwohl wurden notwendige Maßnahmen zurVerminderung der Abwärmelast im aktuellen Bewirtschaftungsplan bisher nicht festgelegt und unbestimmte Zeit verschoben. Dort heißt es lediglich: „In gewissen Situationen ist die Temperatur ein kritischer Parameter. Derzeit laufen Studien zu den Auswirkungen des Klimawandels auf Abfluss und Temperatur des Rheins. In Erwartung dieser Studienergebnisse sollen eventuelle zusätzliche Maßnahmen erst in den zweiten Bewirtschaftungsplan für die Flussgebietseinheit aufgenommen werden, d.h. die Temperaturproblematik wird in der weiteren Arbeit berücksichtigt.

Nitsch stellt fest: „Die Abwärme aller in Deutschland betriebenen Kraftwerke würde ausreichen, um sämtliche Gebäude in der Bundesrepublik zu heizen! Die gigantische Wärmelast, die dem Rhein zugemutet wird, ist Ausdruck einer völlig ineffizienten Stromproduktion in Kohle- und Atomkraftwerken.“ Die „Leitstudie 2008“ des Bundesministeriums für Umwelt (BMU) geht von einer Reduktion von insgesamt 36 % der deutschen CO2-Emissionen aus. Um dies einzuhalten, dürfen in Deutschland nur Kohlekraftwerke mit einer elektrischen Leistung von insgesamt 9 GW gebaut werden. Dies steht im krassen Widerspruch zu den Investitionen und Planungen der Stromproduzenten. Bereits jetzt sind allein am Rhein seit 2005 Kohlekraftwerke mit einer elektrischen Leistung von über 8 GW im Bau oder genehmigt und Deutschlandweit sind bis 2018 bereits insgesamt 28,6 GW im Bau oder geplant.

Der BUND wertet dies so, dass die großen Stromkonzerne nach wie vor von erheblichen Wachstumsraten ausgehen und wenig Interesse an Klimaschutz haben. Vom Energiesparen und von einer Energieeffizienzrevolution sowie von einer Umstellung der atomar-fossilen Stromproduktion auf dezentrale Blockheizkraftwerke würden nicht nur der Klimaschutz sowie die heimischen Arbeitsplätze, sondern auch Lachs & Co. profitieren. Der BUND fordert statt dem Bau zentraler Kraftwerke unter anderem den Bau von dezentralen Blockheizkraftwerken zur Versorgung von Gebäuden mit Strom und Wärme.

Für Rückfragen:

Dr. Heinz Schlapkohl (Stellvertretender Landesvorsitzender BUND Rheinland-Pfalz), 06353 3318
Jörg Nitsch (Landesvorstand BUND Hessen), 0171-6418094
Dr. Erwin Manz (Landesgeschäftsführer BUND Rheinland-Pfalz) 06131 62706-0 bzw. 0151 12273866

Hier finden Sie die Kurz- und Langfassung der BUND-Studie "Abwärmelast Rhein" bund_waerme_kurz_bild.pdf 0.9 MB bund_waerme_lang_bild.pdf 6.2 MB