28. Januar 2014
Stirbt der Mittelspecht aus? Flächendeckende Anpflanzung von Nadelbäumen verdrängt bedrohte Arten
Von: Guido Carl
Nach der Fällung des vorherigen Laubwaldes sind massive Bodenvorbereitungen nötig, bevor ein ökologisch problematischer Nadelwald gepflanzt werden kann. Bildquelle: Sabine Hodges
Scharfe Kritik übt der Kreisverband Bergstraße des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) an der verstärkten Anpflanzung von Nadelbäumen in Natura-2000-Gebieten durch das Forstamt Lampertheim. „Wenn Jahr für Jahr alte Eichen und Buchen gefällt und durch Douglasien und Kiefern ersetzt werden, dann haben Arten wie der Mittelspecht und Hirschkäfer keine Überlebensmöglichkeit mehr“, begründet der Kreisvorsitzende Guido Carl die Befürchtungen des BUND. Der BUND sieht in der Praxis des Forstamtes einen Widerspruch zum Verschlechterungsverbot. Außerhalb von Schutzgebieten ist die Umwandlung alter Laubwälder in Nadelwälder zwar auch ökologisch schädlich, jedoch rechtlich zulässig. In Schutzgebieten, wie dem „Reliktwald von Lampertheim und Sandrasen Untere Wildbahn“, der nach EU-Recht ausdrücklich als der Vogelschutz- und FFH-Gebiet ausgewiesen wurde, haben (forstliche) Maßnahmen zur Förderung der besonders geschützten Arten jedoch Vorrang vor ökonomischen Zielen. Bei den geschützten Arten handelt es sich beispielsweise um den Hirschkäfer, den Eichenheldbock und den Mittelspecht, die alle auf Laubmischwälder mit einem hohen Anteil an Eichen angewiesen sind
Wo alte Eichen und Buchen gefällt und durch Nadelhölzer ersetzt werden, haben diese Arten keine Überlebenschancen. Der Erhaltungszustand ihrer Populationen wird dadurch verschlechtert und letzten Endes durch den Waldumbau zum Nadelwald zerstört.
Der BUND fordert deshalb die Landesbetriebsleitung von Hessen Forst zum Umdenken auf. Das Forstamt Lampertheim braucht neue Vorgaben, die in den Schutzgebieten die Naturschutzziele in den Vordergrund stellen.
Dass die Grundwasserabsenkungen den alten Laubwäldern stark zusetzen, ist dem BUND wohl bewusst. Doch das darf kein Grund sein, die Zerstörung durch forstliches Handeln zu beschleunigen. In der angespannten Situation muss der Erhalt der vorhandenen alten Laubbaumbestände absolute Priorität haben, weil diese Bestände die Basis für die bedrohte und geschützte Tierwelt darstellen. Ein Einschlagsverzicht bei den alten Laubbäumen würde auch einen Schutz gegen den Maikäfer darstellen, denn überall da, wo das Kronendach geöffnet wird, entsteht der Grasboden, in dem der Käfer seine Eier ablegen kann.
Die These, dass der Wassermangel im Schutzgebiet „Reliktwald“ den Waldumbau zu einem reinen Nadelwald erzwingt, lässt der BUND nicht gelten, weil niemand mit Sicherheit sagen kann, ob diese neuen, extrem naturfernen Nadelwälder aus Kiefer und Douglasie die Trockenphasen in regenarmen Sommermonaten überhaupt überleben. „Wichtiger wäre“, so Guido Carl vom BUND, „eine Förderung solcher Einzelbäume wie der heimischen Stiel-Eiche, die auf extrem trockenen Standorten überall im Ried und auch im Reliktwald wachsen und ganz offensichtlich gut an diese Bedingungen angepasst sind.“