19. Oktober 2018
Grußwort des BUND zur Einweihung des Windparks Fürth
Sind wir zu spät? Diese Veranstaltung hätte schon vor sechs Wochen stattfinden sollen, aber sie musste wegen Hitze und Brandgefahr verschoben werden.
Sind wir zu spät? Die extreme Rekord-Trockenperiode dieses Jahres hat erneut deutlich werden lassen, dass der Klimawandel unseren Planeten und damit alle Lebewesen in ihrer Existenz bedroht. Eine Klimakatastrophe muss mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln abgewendet werden.
Sind wir zu spät? Die Wissenschaft sagt „Noch nicht ganz“. Und dafür ist der rasche Ausbau der Nutzung von Windenergie unerlässlich.
Deshalb geht unser herzlicher Glückwunsch an die Energie Baden-Württemberg AG und an GAIA zur Einweihung des Windparks Fürth. Wir freuen uns, dass damit ein wichtiger Schritt getan ist, dem weitere Schritte in diese Richtung folgen werden, um unsere Energieversorgung auf regenerative Füße zu stellen. Damit wird nach und nach eine Forderung umgesetzt, die der BUND schon vor Jahrzehnten erhoben hat: Ausstieg aus der Menschen verachtenden Atomkraft und Ausstieg aus der Klima zerstörenden Nutzung fossiler Energieträger.
Beteiligungsmöglichkeit für Bürgerinnen und Bürger
Positiv bewerten wir auch, dass die Betreiber eine Beteiligungsmöglichkeit für Bürger einrichten werden. So können diejenigen Menschen von den Anlagen profitieren, in deren Nähe sie stehen – das ist fair und es hält einen Teil des Gewinns in der Region. Auch wenn nicht jeder Geld investieren kann, diese Verbindung ist wesentlich direkter als es bei Großkraftwerken je der Fall gewesen wäre.
Wir verkennen dabei nicht, dass auch der Ausbau der Windenergie mit negativen Folgen für die Natur, für den Artenschutz und für das Landschaftsbild verbunden ist. Deshalb haben wir uns in Hessen erfolgreich dafür eingesetzt, dass auf nur 2 % der Landesfläche Vorranggebiete für die Windenergienutzung ausgewiesen werden, 98 % der Landesfläche also frei bleiben von Windrädern. Wenn man die 2 % Vorrangfläche klug auswählt, dann handelt es sich um solche Flächen, in denen die Windhöffigkeit hoch und das Konfliktpotenzial mit dem Natur-, Arten- und Immissionsschutz möglichst gering ist. Das ist nach unserer Auffassung hier am Kahlberg gelungen – anders als beim missglückten Standort Hüttenfeld im Rheintal. Die Anforderungen an die Naturverträglichkeit waren hoch, denn im Umfeld des Kahlbergs gibt es eine Reihe von Vogel- und Fledermausarten, die durch Windenergieanlagen gefährdet werden können. Doch für die gefährdeten Vogelarten gilt, dass ihre selbstverständlich vor dem Bau der Anlagen erfassten Brutstandorte den nötigen Sicherheitsabstand zu den Anlagen aufweisen und für Fledermäuse wurden entsprechende Vorkehrungen durch Abschaltalgorithmen getroffen.
Windräder verändern, werden aber mehrheitlich akzeptiert
Windräder verändern die Landschaft. Es ist wahr, manchen Menschen graut es vor dem sichtbaren Einzug der Technik auf die lieblichen Hügel des Odenwalds. Zwar sind Windenergieanlagen weder die ersten noch die größten technischen Bauwerke im Odenwald, aber sie sind eben weithin sichtbar. Es gibt aber auch solche, die die schlanken Riesen als filigranes Zeichen des Fortschritts verstehen. Doch die meisten Menschen sehen die Notwendigkeit und das hoffnungsvolle Versprechen der Energiewende und akzeptieren die Veränderung, zumal die Zahl der Rotoren sich in Grenzen hält. Im Sinn dieser Mehrheit haben die Gemeinden Fürth und Gras¬ellenbach entschieden. Das ist erwähnenswert, denn die Kommunen haben – ungeachtet finanzieller Vorteile – Verantwortung für die Zukunft übernommen. Außerdem setzen sie sich für die Beteiligungsmöglichkeit ihrer Bürger ein.
Der BUND grenzt sich in diesem Zusammenhang entschieden ab von der schrillen, einseitigen und kompromisslos subjektiven Darstellung der derzeit allenthalben wie Pilze aus dem Boden schießenden Bürgerinitiativen gegen Windkraft. Es wäre alles gut, würden deren Sprecher die Sorgen der Bürger mit Nachdruck vorbringen. Stattdessen: Mit Emotion und Schalldruck wird jedes Windrad zum Teufelszeug erklärt, werden längst widerlegte Falschmeldungen wiederholt, lässt man nur Argumente gelten, die dem eigenen Zweck dienen. Sie alle, darunter auch Ex-Landrat Matthias Wilkes, bleiben nicht nur eine Antwort schuldig auf die Frage, wie die Energiewende ohne Windenergie gelingen soll, sondern sie gebärden sich zunehmend als Klimaleugner oder huldigen einfach nur St. Florian nach dem Motto „Ja zur Windkraftnutzung, aber nicht bei uns“.
Klimaschutz braucht eine dezentrale, regenerative Stromversorgung
Wir im BUND fordern den konsequenten Umstieg auf eine dezentral angelegte, regenerative Stromversorgung, und das so rasch wie möglich.
- Deshalb kritisieren wir die bundespolitischen Entscheidungen der jüngeren Vergangenheit, die zu einer Einschränkung der Förderung nicht zuletzt der Windkraft an Land geführt haben.
- Deshalb kritisieren wir die Wahlprogramme von FDP und CDU, die mit bayerischen Abstandsregelungen den Aufbau und das Repowering von Windkraftanlagen zu verhindern drohen; von der Klimaleugner-Position der AfD ganz zu schweigen.
- Deshalb fordern wir die SPD auf, den Ausbau Erneuerbarer Energien noch engagierter voranzutreiben als vorgesehen und die Verantwortung nicht den Kommunen zuzuschieben.
- Deshalb unterstützen wir die Forderungen von Grünen und Linken nach weiterem verträglichem Windkraftausbau.
- Deshalb verlangen wir von der Politik raschere Fortschritte hin zu dem, was mit dem sperrigen Begriff „Nachhaltigkeit“ bezeichnet wird.
Dazu gehört an vorderster Stelle der Klimaschutz und damit die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens. Das geht ganz sicher nicht ohne raschen Ausbau der Windenergie.
Noch ist es nicht zu spät. Wir wünschen deshalb dem inzwischen dritten Windpark im Kreis Bergstraße am Kahlberg allzeit guten Wind auf den Rotoren und zunehmende Akzeptanz in der Bevölkerung rund um die Anlagen.