BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland


18. April 2006

BUND fordert ganzheitliche Walderhaltungsstrategie für das Rhein-Main-Gebiet

Von: BUND Hessen

Als unausgegorenen Schnellschuss ohne schlüssiges Gesamtkonzept kritisiert der BUND Hessen den mit großer Hektik von Minister Dietzel in Szene gesetzten Versuch zur Bekämpfung des Maikäfers in den Wäldern der Rhein-Main-Ebene. Der Verband fordert eine ganzheitliche Walderhaltungsstrategie für das Rhein-Main-Gebiet. Nur wenn die Maikäferbekämpfung in eine solche, verbindliche Strategie eingebunden wird, ist eine an strenge Vorgaben gebundene Bekämpfung akzeptabel.

Erst Mitte März wurden in aller Eile die Naturschutzverbände zu einer Informationsveranstaltung eingeladen, bei der die in diesem Frühjahr geplanten Versuche zur Maikäferbekämpfung vorgestellt wurden. Auf Versuchsflächen bei Lampertheim und Darmstadt sollen Bekämpfungsmethoden mit NeemAzal-T/S und Beauveria erprobt werden. NeemAzal-T/S ist ein aus dem indischen Neembaum gewonnener Stoff, der Insekten nicht tötet, aber ihre Vitalität und damit beispielsweise ihre Vermehrungsrate herabsetzt. Bei Beauveria handelt es sich um einen Schimmelpilz, der die Engerlinge vernichten soll. Der BUND Hessen steht diesen Versuchen eher skeptisch gegenüber, besteht doch die große Gefahr, dass der natürliche Zusammenbruch der Überpopulation der Maikäfer durch Bekämpfungsmaßnahmen lediglich hinausgezögert wird und damit das Problem einer übermäßigen Maikäferdichte weitere Jahrzehnte erhalten bleibt. Da allerdings in den zurückliegenden Jahren entgegen optimistischen Erwartungen ein Zusammenbruch der Maikaferpopulation trotz teilweise sehr hoher Engerlingsdichte nicht festzustellen war, akzeptiert der BUND das Bestreben des Umweltministeriums zur Überprüfung der Handlungsoption einer Maikäferbekämpfung mit den Präparaten Neem Azal und Beauveria.

Ungeachtet der Problematik insbesondere des Einsatzes von Neem Azal in seiner giftigen Wirkung auf andere Insekten kann der Einsatz dieser Mittel nur ein vorübergehender Baustein im Rahmen einer Gesamtstrategie zur Erhaltung der bedrohten und vielfach stark geschädigten Wälder des Rhein-Main-Gebietes darstellen. Der BUND fordert von Minister Dietzel, endlich ein konsistentes Gesamtkonzept für die Stabilisierung der südhessischen Wälder zu konzipieren und umzusetzen, statt plakativ mit der Giftspritze herum zu hantieren.

Insbesondere fordert der BUND, dass endlich Klarheit über die Ziele geschaffen wird, unter denen Hessen-Forst und die von Hessen-Forst betreuten Kommunen diese Wälder bewirtschaften und betreuen. Der BUND erinnert in diesem Zusammenhang an das in 1999 vom Regierungspräsidenten in Darmstadt vorgelegte Walderhaltungsprogramm Rhein-Main, dessen Umsetzung von Minister Dietzel sträflich vernachlässigt worden ist. Statt der in diesem Programm formulierten absoluten Priorität der schlichten Walderhaltung werden auch die geschädigten und bedrohten Wälder durch Hessen-Forst mit einer verschärften Nutzungskonzeption überzogen, die völlig außerhalb deren natürlicher Leistungsfähigkeit liegt. Mit diesem kontraproduktiven Vorgehen werden die Problemstrukturen eher verschärft als dass zu einer Problemlösung durch geeignetes waldbauliches Handeln beigetragen würde. In diesem Kontext stellt sich eine Maikäferbekämpfung als Herumlaborieren an Symptomen dar ohne jede Erfolgsaussicht.

Demgegenüber ist für den BUND eine zeitlich und örtlich begrenzte Maikäferbekämpfung allenfalls unter u.a. folgenden Voraussetzungen denkbar:

    • Die Wälder im Bereich des Walderhaltungsprogramms Rhein-Main werden zumindest zeitlich befristet aus der erwerbswirtschaftlich orientierten Nutzung herausgenommen. Bezogen auf die Maikäferproblematik resultiert, dass keine halbwegs lebensfähigen Bäume mehr genutzt werden, weil dies in Anbetracht der weiteren Auflichtung des Waldes und des hohen Risikos der anschließenden Wiederbepflanzung die Problemlage eher verschärft. In jüngeren und mittelalten Waldbeständen verfolgt die Durchforstung und Pflegenutzung nicht vorrangig das Ziel der forstlichen Wertsteigerung der Bestände. Sie ist ausschließlich am Ziel der Vitalisierung durch Schaffung stark bekronter und entwickelter Baumindividuen in Mischwaldstrukturen ausgerichtet.
    • Da es sich durchweg um grundwasserabsenkungsgeschädigte Wälder handelt, wird der wirtschaftliche Verlust nicht vermieden durch eine vorsorgliche Nutzung geschädigter Bäume. Vielmehr ist darauf zu dringen, dass die verantwortlichen Grundwassernutzer konsequent zu Entschädigungsleistungen herangezogen werden. Der BUND fordert Minister Dietzel auf, in seiner Bündelungskompetenz für die Forst- und Wasserwirtschaftsverwaltung dafür Sorge zu tragen, dass insbesondere die kommunalen Waldbesitzer zügig und angemessen für die Schäden an ihren Wäldern durch Grundwassergewinnung entschädigt werden.
    • Bei zukünftigen waldbaulichen Maßnahmen werden ausschließlich einheimische Baum- und Straucharten eingesetzt in Anpassung an die jeweiligen Standortvoraussetzungen. In jedem Fall ist durch Begründung von Mischwäldern eine vergleichsweise risikoarme Waldstruktur aufzubauen.
    • Der BUND bekennt sich grundsätzlich auch in Eiche-betonten FFH-Gebieten zu einer Waldnutzung aus der schlichten Erkenntnis heraus, dass die FFH-würdigen Wälder Ergebnis einer jahrhundertelangen Bewirtschaftung darstellen. Die Bewirtschaftung der Wälder in bisheriger Weise mit Akzentuierung bestimmter Detailstrategien ist daher durchaus naturschutzkonform. Demgemäß bedeutet die derzeitige Forderung auf grundsätzliche Einstellung der Nutzung in älteren und alten Beständen keine verdeckte Einführung des Prozessschutzes durch die Hintertür. Sie ist vielmehr eine vorübergehende Einschränkung im Sinne der notwendigen Erhaltung und Sanierung des Waldes. Diese Einschränkung kann unter Beachtung der Erhaltung eines genügenden Vorrates an Alteichen zugunsten einer nachhaltigen Nutzung gelockert werden, sobald die Waldstrukturen wieder aufgebaut sind und dementsprechend von einer nachhaltigen Nutzbarkeit für alle Funktionen ausgegangen werden kann. Dies wird in Anbetracht der gegenwärtigen Sachlage kurzfristig nicht der Fall sein können.
    • Die Hessische Landesregierung räumt in den anstehenden Wasserrechtsverfahren sowie der Fortschreibung des Grundwasserbewirtschaftungsplans den wald- und naturschutzökologischen Erfordernissen absolute Priorität ein. Damit werden die natürlichen Lebensbedingungen des Maikäfers verschlechtert und insgesamt wird eine Stabilisierung der Baumbestände durch bessere Wasserversorgung gefördert.

Unter Vereinbarung einer derartigen langfristigen Gesamtstrategie akzeptiert der BUND in einem ersten Schritt die Durchführung eines Bekämpfungsversuches mit folgendem Ziel: Im Fall eines erfolgreichen Versuchsergebnisses können mit zeitlich begrenzten Bekämpfungsmaßnahmen Bedingungen unterstützt werden, die nach einer Phase der waldbaulichen Regenerierung der Schadensgebiete wieder ein weitgehend eigenständiges Funktionieren und Existieren des Ökosystems Wald erwarten lassen.

Der Einsatz von NeemAzal-T/S wird ausschließlich außerhalb von Schutzgebieten in geeigneten Versuchsflächen geprüft. Der Einsatz von Beauveria-Präparaten kann auch innerhalb der Schutzgebiete stattfinden, soweit dies aus versuchssystematischen Gründen unabdingbar ist. Erforderlich ist die systematische wissenschaftliche Begleitung der Versuche durch unabhängige Institutionen, insbesondere hinsichtlich der Auswirkungen auf die übrige Fauna. Da die Versuche mitten in der Brutzeit liegen und die Stoffe teilweise mit dem Hubschrauber ausgebracht werden sollen, ist darüber hinaus eine gezielte Untersuchung der Störwirkung gegenüber Brutvögeln unabdingbar.

Weitere Auskünfte gibt Ihnen:Thomas NorgallNaturschutzreferent des BUND Landesverband Hessen e.V.Triftstrasse 47, 60528 Frankfurt am MainTel.: 0 69 - 67 73 76 14, Fax: 0 69 - 67 73 76 20eMail: thomas.norgall@bund-hessen.de Quelle: Landesverband


Quelle: http://archiv.bund-bergstrasse.de/nc/presse/pressemitteilungen/detail/artikel/bund-fordert-ganzheitliche-walderhaltungsstrategie-fuer-das-rhein-main-gebiet/