BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland


13. Dezember 2009

Naturschutzverbände stellen Position zur ICE-Trassenführung in Südhessen klar

In verschiedenen Presseerklärungen des Landkreises Bergstraße sind in letzter Zeit die Naturschutzverbände Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und Naturschutzbund Deutschland (NABU) im Zusammenhang mit der Planung der ICE-Neubautrasse irreführend zitiert worden.

„Es ist an der Zeit, dass wir den Stand unserer Meinungsbildung in der ICE-Frage einmal öffentlich klarstellen“, so Brigitte Martin, Vorstandsmitglied im BUND Hessen und der hessische NABU-Landesvorsitzende Gerhard Eppler in einer gemeinsamen Presseerklärung.

Um künftige Richtigstellungen zu vermeiden, wünschen sich die Verbände, dass Pressemitteilungen des Landkreises Bergstraße, die "einvernehmliche Vorschläge des Arbeitskreises ICE" enthalten, vorher mit den Verbänden abgestimmt werden. Entlang der gesamten Trasse gibt es aus der Sicht der Naturschutzverbände Sicht im wesentlichen zwei strittige Bereiche: die Frage der Anbindung Darmstadts und die Trassenführung im Kreis Bergstraße.

Anbindung der Region über einen ICE-Halt Darmstadt

Hier sehen sich die Umweltverbände mit dem ICE-Arbeitskreis Bergstraße, mit der IHK Darmstadt Rhein/Main/Neckar und Darmstädter Bürgerinitiativen einig, dass es am Hauptbahnhof Darmstadt eine gut vertaktete Anbindung an das Fernstreckennetz geben muss.

Die Verbände lehnen die sogenannte Konsenstrasse mit einer Nordeinschleifung der NBS nach Darmstadt und der zusätzlichen Rückführung im Darmstädter Süden auf die Hauptstrecke ab.
Die Südeinschleifung würde erhebliche Belastungen für Wald, FFH-Gebiete, Anwohner, bestehende Gewerbegebiete und die weitere Stadtentwicklung auf Konversionsflächen im Darmstädter Süden mit sich bringen.

Eine Tunnellösung im bergmännischen Vortrieb unter Autobahnen hindurch würde zwar die weitere Stadtentwicklung und Anwohner und Wald schützen, ist aber bei der eingleisigen Bypass-Strecke wirtschaftlich nicht darstellbar. Zumal sie laut Konsens von lediglich einem ICE pro Stunde und Richtung befahren wird und davon nur alle zwei Stunden eine Anbindung an den Frankfurter Flughafenbahnhofs vorgesehen ist.

Ebensowenig ist die Führung der ICE-Haupt-NBS-Trasse über den Darmstädter Hauptbahnhof und Rückführung zur A67 in Darmstadt ohne Tunnellösungen im Stadt- und Erholungsgebiet von Darmstadt machbar. So existierte zur Zeit des Raumordnungsverfahrens im ehemaligen Militärgelände Ernst-Ludwig-Park noch kein Wohngebiet. Zusätzlich müsste ob der hohen Geschwindigkeiten bei der Durchfahrt der Züge mit 250 km/h erhebliche Umbau- und Sicherungsmaßnahmen im jüngst sanierten Darmstädter Hauptbahnhof durchgeführt werden.

BUND und NABU unterstützen vielmehr eine Variante, die von Bürgermeistern in der Region schon als „Wissenschaftsshuttle“ oder von anderer Seite als „Wissenschaftsexpress“ ins Gespräch gebracht worden ist und auch von der IHK Darmstadt befürwortet wird: eine zweigleisige Nordeinschleifung von der ICE-Neubaustrecke nach Darmstadt und im Süden die Weiterführung der in Darmstadt haltenden Züge auf der bestehenden Main-Neckar-Bahn.

Dies wäre eine kostengünstige und natur- und menschenverträgliche Variante, die zugleich den Vorteil hätte, die StädteFrankfurt, Darmstadt und Heidelberg über einen ICE-Anschluss zu verbinden. Eine Südeinschleifung in Darmstadt würde dadurch entbehrlich und die zweigleisige Nordeinschleifung kann, da hier nur Züge fahren, die auch in Darmstadt halten, enger an Autobahn und die bestehende Bahntrasse Darmstadt- Mainz gebündelt werden. Erweiterte Möglichkeiten für den Regional- und Fernverkehr über den Flughafenbahnhof nach Wiesbaden und Köln ergeben sich beim Bau der bereits im Planfeststellungsbescheid der ICE NBS Köln-Rhein/Main enthaltenen Wallauer Spange.

Diese Nordeinschleifung könnte von in Darmstadt Hauptbahnhof haltenden Zügen des Regional- und Fernverkehrs gleichermaßen benutzt und somit ein Halbstundentakt zum Flughafenbahnhof Frankfurt ermöglicht werden. Außer der Anbindung der Bergstraße kann somit eine schnelle und direkte Anbindung des ICE-Fernbahnhofs am Flughafen auch für die Regionalverkehre aus dem Osten (Aschaffenburg/Dieburg und Erbach/Michelstadt) sowie dem Westen (Weiterstadt/Groß-Gerau) erfolgen. Für Reisende spielt es schließlich keine Rolle, in welchen Zug sie als erstes einsteigen, sondern wie lange sie von Tür zu Tür brauchen. Gesonderter Fernbahnhof Darmstadt-West

Der jüngst insbesondere in Darmstadt diskutierte Fernbahnhof an der A5 zwischen Darmstadt und Griesheim würde zusätzliche Halte im Fernverkehr an der ICE-Neubaustrecke ermöglichen. Da er in Tieflage im Trog gebündelt mit der Autobahn eingerichtet würde, könnte auf dem „Bahnhofsdeckel“ Lärmschutz für die Anwohner der angrenzenden Siedlung Tann geschaffen werden. Hier wäre der zusätzliche Verbrauch an Natur sehr gering, sehr viel gravierender fallen hier die nach Ansicht der Verbände völlig überzogenen Pläne des Ausbaus des Darmstädter Kreuzes auf 16 Fahrspuren ins Gewicht. Hier werden erste Vorarbeiten im Plangenehmigungsverfahren ohne öffentliche Beteiligung durchgeführt, dabei ist der Ausbau an der Stelle ein wesentlich schwerer wiegender Eingriff als die ICE-Trasse.

Trassenführung im Landkreis Bergstraße

Gegen Anträge, EU-Schutzgebiete dort aufzuheben, wo sie einer präferierten Trassenführung im Wege stehen, haben sich die Verbände im ICE-Arbeitskreis Bergstraße von Anfang an deutlich und in aller Klarheit ausgesprochen. Ob es möglich sein wird, eine Trasse durch die FFH- und EU-Vogelschutzgebiete zu bauen, wird gesetzlich geboten in den vorgelagerten Genehmigungsverfahren geprüft. Die Verbände haben sich aus diesem Grund auch nicht an der Beauftragung von Anwaltskanzleien mit dieser Frage beteiligt.

Es spricht eine Reihe von Argumenten sowohl für als auch gegen jede der beiden Hauptvarianten der Bündelung mit der A67 und der sogenannten Mark C-Variante. Ohne Verlust an Natur und Landschaft geht es nicht, da man eine Trasse aber nicht durch die Wolken führen kann, wird die Region die eine oder die andere Kröte schlucken müssen. Anliegen von NABU und BUND ist es, die Trasse so zu optimieren, dass eine Lösung dabei herauskommt, die Mensch und Natur möglichst wenig beeinträchtigt. Und zwar ohne Ansehen dessen, auf dem Gelände welcher Kommune dies erfolgen wird.
NABU und BUND haben Verständnis für Initiativen, die sich gegen eine Trassenführung vor der jeweiligen Haustür wenden. Egal welche Trasse letztendlich gebaut wird, wird es auch hier darauf ankommen, nicht nur wo, sondern auch wie die Trasse gebaut wird. Diese Optimierung muss in jedem Fall erfolgen.

NABU und BUND erwarten von der Bahn, dass sie Möglichkeiten aufzeigt, um die Eingriffe möglichst gering zu halten. Allen Forderungen, eine möglichst lange Strecke im Tunnel zu führen, schließen sich die Verbände gerade in einer Region, die durch Flächenzerschneidungen und Verkehrstrassen mehr als viele andere betroffen ist, vorbehaltlos an. Die Bahn und der Bund müssen hier Geld in die Hand nehmen, um mehr zu tun, als es den Minimalforderungen etwa des Bundes-Immissionsschutzgesetzes entspricht.

Das Siedlungsgebiet der Stadt Lorsch und die hier lebenden Menschen müssen weitestgehend geschont werden. Eine Trassenführung zwischen der A67 und dem Stadtgebiet Lorsch lehnen NABU und BUND ab.

Die A300-Trasse vereint die Nachteile der Bündelungstrasse (Zerschneidung mitten durch den Wald) und von Mark C (großflächige Beeinträchtigung von Wald und EU-Schutzgebieten). Dazu steht der Zeitvorteil in keinem Verhältnis. Diese Trasse lehnen BUND und NABU ab, außer sie würde von der Bahn auf der gesamten Länge im Tunnel geführt.

Die Argumente, dass auf der Mark C Trasse mehr landwirtschaftliche Fläche verloren ginge, muss im übrigen differenzierter betrachtet werden. Die Bündelungsvarianten führen zu einem flächenmäßig erheblich größeren Eingriff in den Wald als Mark C, insbesondere dann, wenn die Mark-C-Trasse im gedeckelten Trog geführt würde. Nach geltender Rechtslage sind Waldverluste im Maßstab 1:1 durch Aufforstung auszugleichen. Auf welchen Flächen dies geschehen wird, ist damit zwar nicht von der Lage, aber vom Umfang her bekannt.

Selbst wenn man geneigt ist, den Wert intakter Natur nur daran zu messen: Die wirtschaftliche Prosperität der Metropolregion Rhein-Neckar hängt wesentlich auch von der Lebensqualität in der Region ab. Für eine natur- und menschenverträgliche Trassenführung eines im Grundsatz umweltfreundlichen Verkehrsmittels treten die Verbände mit Entschiedenheit ein.


Quelle: http://archiv.bund-bergstrasse.de/nc/presse/pressemitteilungen/detail/artikel/naturschutzverbaende-stellen-position-zur-ice-trassenfuehrung-in-suedhessen-klar/