BUND Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland


14. November 2013

Umweltfrevel beim Forstamt Lampertheim

Erwachsener Eichenheldbock

Fraßgänge im Eichenstamm, 10cm tief

Der Kreisverband Bergstraße des Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordert vom Forstamt Lampertheim eine bessere Berücksichtigung des Artenschutzrechts. Mit einer Mischung aus Ärger und ungläubigem Erstaunen hat der BUND Bergstraße festgestellt, dass das Forstamt Lampertheim in einem Schutzgebiet von europäischem Rang offenbar einen Rechtsverstoß begangen hat. Vor wenigen Tagen wurde im FFH-Gebiet „Reliktwald Lampertheim und Sandrasen untere Wildbahn“ eine ca. 160 Jahre Eiche gefällt, die dem Heldbock, einer besonders stark bedrohten Käferart, als Brutbaum diente. „Die Fällung widerspricht nicht nur dem Naturschutzrecht, sie ist auch wirtschaftlich überflüssig“, erläutert Guido Carl, Vorsitzender des BUND Bergstraße, „denn die Fraßgänge der Käferlarven haben das Eichenholz bereits entwertet“.

Der Heldbock (Cerambyx cerdo) ist europaweit überall streng geschützt und steht auch auf der Roten Liste der vom Aussterben bedrohten Arten Deutschlands. Im FFH-Gebiet „Reliktwald Lampertheim und Sandrasen untere Wildbahn“müssen die Brutbäume des Heldbocks erhalten werden. Dies verlangt die Rechtsverordnung für das Gebiet. Dort heißt es wörtlich:„Erhaltung geeigneter Brutbäume (insbesondere alte, zum Teil abgängige Stieleichen und Stämme mit Baumsaft exudierenden Wunden) vor allem an inneren und äußeren sonnenexponierten Bestandsrändern in Wald und Offenland“.

Der gefällte Baum wurde zufällig bei einem Spaziergang von Sabine Hodges, der BUND-Ortsbeauftragten für Hüttenfeld, und einem Biologen gefunden. „Da hat das Forstamt wohl einen ordentlichen Bock geschossen“, meint die passionierte Naturschützerin, denn die daumengroßen Bohrlöcher in der Rinde zeigen ab einer Höhe von zwei Metern deutlich auf die Arbeit der Käferlarven hin. Fachkundige Insektenforscher konnten inzwischen zweifelsfrei bestätigen, dass die Eiche ein Brutbaum für Heldbocklarven ist. Daher hat der BUND einen entsprechenden Hinweis auf die Fällung an die Untere und an die Obere Naturschutzbehörde weitergegeben: Die Fachbehörden sollen unbedingt dafür Sorge tragen, dass sich derartige Maßnahmen nicht wiederholen und dass der gefällte Baum nicht abtransportiert und verarbeitet wird, sondern an Ort und Stelle verbleibt. Denn die Käferlarven in der Eiche leben noch und entwickeln sich teilweise erst nach Jahren zum erwachsenen Käfer.

Nach dem maßgeblichen Gutachten des Landes Hessen gibt es im FFH-Gebiet nur wenige Brutbäume des Heldbocks, so dass die Fällung vom BUND als schwere Beeinträchtigung des Schutzgebietes eingestuft wird. Da Hessenforst in seinem Artensteckbrief zum Heldbock selbst „die Erhaltung aller Brutbäume der Art“ fordert, versteht man beim BUND umso weniger, warum das Forstamt den Baum geschlagen hat.

Der BUND wird auch weiterhin den Dialog mit Hessen-Forst und dem Forstamt Lampertheim suchen. „Wir wissen, dass das Forstamt Lampertheim wegen der Grundwasserabsenkunken unter sehr schwierigen Bedingungen wirtschaften muss und dass wir hinsichtlich dieser für den Wald überragenden Problematik ein gemeinsames Interesse verfolgen müssen“, bekräftigt der BUND Kreisvorsitzende Guido Carl. Der BUND kritisierte in internen Gesprächen mit dem Forstamt schon länger, dass es den Umbau des Riedwalds vom Laubwald zum Nadelwald stärker vorantreibt, als es aus Sicht des BUND sinnvoll und nötig ist. Stattdessen sollen Laubbäume auch auf Trockenstandorten stärker gefördert werden, damit wertvollste Schutzgebiete den dringend nötigen Baumnachwuchs erhalten. Der Umweltverband hofft, dass der Einschlag des nach EU-Recht streng geschützten Brutbaums nicht die nächste Stufe des Waldumbaus darstellt, sondern sich als Fehlentscheidung herausstellt. Stattdessen erwartet der BUND vom Forstamt Lampertheim für die Zukunft einen deutlich sensibleren Umgang sowohl mit wertvollen Habitatbäumen als auch bei der Erhaltung des Laubwalds im Rheintal.


Quelle: http://archiv.bund-bergstrasse.de/nc/presse/pressemitteilungen/detail/artikel/umweltfrevel-beim-forstamt-lampertheim/