Zusammenstellung von Willy Welti, BUND Birkenau
Das Umweltbundesamt kommt zu folgender Schlussfolgerung:
Eine vollständig auf erneuerbaren Energien beruhende Stromerzeugung
im Jahr 2050 ist technisch und auf ökologisch verträgliche Weise möglich.
Das Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme, ISE schreibt:
Die Bereitstellung von 100 % erneuerbaren Energien im Strom- und Wärmesektor Deutschlands ist technisch möglich und nach erfolgter Umstellung des Energiesystems sind die jährlichen Gesamtkosten nicht höher als die Kosten unserer heutigen Energieversorgung. Diese Aussage gilt trotz der Annahme eines konstanten Stromverbrauchs, trotz der Annahme, dass keinerlei Stromaustausch mit dem Ausland stattfindet, trotz des Vergleichs mit heutigen Preisen für konventionelle Energie und obwohl nur die Nutzung eines vergleichsweise kleinen Anteils des Gesamtpotenzials an Biomasse für den Strom- und Wärmesektor angenommen wird.
Laut Energiekonzept 2050, erstellt vom Forschungsverbund erneuerbare Energien (FVEE), geht man bei einer Stromversorgung mit 100 % erneuerbarer Energie etwa von folgenden Anteilen an installierter Leistung aus:
Fotovoltaik 43,7 %
Windenergie 48,6 % (davon 30,6 % offshore)
Biomasse 3,6 %
Wasserkraft 2,3 %
Geothermie 1,8 %
Im folgenden soll ergänzend dazu eine Übersicht über neue Entwicklungen zum Thema Energiespeicher und CO₂-Vermeidung gegeben werden.
Speicherbedarf
Die Energiewende benötigt nicht nur neue Windkraftanlagen und Fotovoltaikanlagen, sondern auch ausreichend grosse Energiespeicher. Die Energie-Erzeugung und -Verteilung sollte so organisiert sein, dass der Bedarf an Energie-Speicherung und -Übertragung möglichst klein bleibt, denn beides ist teuer und mit Verlusten behaftet.
In Youtube gibt es einen aufschlussreichen Vortrag von Dr. Ing. Matthias Popp über Pumpspeicher: In diesem Vortrag werden modellhaft Informationen über den zukünftigen Speicherbedarf bei vollständiger Umstellung auf erneuerbare Energien gegeben. Matthias Popp hat darüber auch ein Buch geschrieben und im Springer-Verlag veröffentllicht.
Wenn in einer Region die Sonne stark scheint oder starker Wind bläst, kann man daraus erzeugte überschüssige Energie entweder für schlechte Zeiten speichern oder in Regionen übertragen, in denen gerade Energie benötigt wird, weil dort die Sonne nicht ausreichend scheint oder weil der Wind zu wenig bläst. Untersuchungen haben gezeigt, dass leider die Windverhältnisse zu einem Zeitpunkt in ganz Deutschland meistens ähnlich sind. Wenn starker Wind bläst, dann meist überall, und wenn Flaute herrscht, dann auch überall. Ein Ausgleich zwischen Regionen durch Energie-Übertragung bringt deshalb wenig.
Günstiger ist es, wenn man Sonnenschein und Wind betrachtet. Bei wenig Sonne herrscht oft starker Wind und umgekehrt. Insbesondere gilt auch, dass es im Sommer viel Sonne und im Winter viel Wind gibt. Den Bedarf an Energiespeichern zum Ausgleich von Jahresschwankungen kann man besonders klein halten, wenn Kapazität von etwa 80 % Windenergie und 20 % Fotovoltaikstrom vorhanden ist.
Speicherkapazität
Wenn vor Ort grosse Energiespeicher vorhanden sind, kann man in der Regel auf Energie-Übertragung aus anderen Regionen verzichten. Umgekehrt muss oft Strom aus anderen Gebieten übertragen werden, wenn keine Speicher vorhanden sind. Außerdem gilt: Je grösser die Überkapazität an Wind- und Sonnenenergie ist, desto weniger Speicher braucht man. Es gilt deshalb ein Optimum zu finden. Um die Schwankungen von Energie-Verbrauch und Energie-Erzeugung auch über Jahre hinaus in Einklang zu bringen würde man (nach Dr. Popp) Speicher für den durchschnittlichen Energiebedarf von etwa 6 Tagen benötigen. Voraussetzungen dafür sind:
- optimales Verhältnis von 80 % Wind- und 20 % Sonnenenergie-Kapazität, 30 % Überkapazität bei Fotovoltaik und 50 % bei Windkraftanlagen,
- Speicher mit einem Wirkungsgrad von 80 % (etwa wie bei Pumpspeicherkraftwerken),
- europaweiter Energie-Austausch über Netze.
Bei nur deutschlandweiter Vernetzung bräuchte man Speicher für den Energiebedarf von etwa 10 Tagen.
Bei der Speicherung von Energie in Form von Wasserstoff- bzw. Methan ist der Wirkungsgrad wesentlich schlechter, d.h. man braucht entsprechend ein Mehrfaches an Wind- und Fotovoltaikanlagen. Im Ergebnis braucht man bei einer Versorgung mit erneuerbarer Energie etwa 250 bis 1000 mal mehr Speicherkapazität als heute vorhanden. Um einen Begriff von dieser Herausforderung zu erhalten, helfen folgende Angaben: Um eine Kilowattstunde (1 kWh) Strom zu speichern muss man z.B. 1 Kubikmeter Wasser (= 1 Tonne Wasser) um 400 m anheben. Ein Durchschnittshaushalt verbraucht durchschnittlich ca. 10 kWh pro Tag. Zum Vergleich: eine normale Autobatterie speichert etwas weniger als 1 kWh.
Der Ansatz von Dr. Popp, das Speicherproblem mit riesigen Ringwallspeichern zu lösen, mutet allerdings utopisch an. Immerhin erhält man einen Eindruck von der gigantischen Grösse der erforderlichen Speicher. Er schlägt vor, dafür z.B. aufgelassene Tagebaugebiete zu nutzen.
Man muss allderdings bedenken, dass für den Anbau von Energie-Pflanzen (z.B. Mais) für Biogas-Anlagen noch weit grössere Flächen erforderlich sind (im Jahr 2006 mehr als 6500 Quadratkilometer). Diese Flächen fehlen beim Naturschutz und bei der Ernährung. Die Frage „wie lässt sich Energie am besten speichern?“ ist also von außerordentlich großer Bedeutung.
Kohlendioxyd – schädlicher Abfall oder Wertstoff?
Kohlendioxyd (CO₂) ist ein Treibhausgas und entsteht bei der Verbrennung. Solange nur soviel verbrannt wird wie nachwächst bleibt die Atmosphäre im Gleichgewicht. Wir verbrennen aber seit der Industrialisierung riesige Mengen Kohle, Erdöl und Erdgas, das über Jahrmillionen in der Erde gebunden war. Das führt zu einem stetigen Anstieg des Kohlendioxyd-Gehalts der Luft mit nicht überschaubaren Folgen, z.B. Klimaveränderungen, Erderwärmung, Anstieg des Meeresspiegels (mit Überschwemmugen), Versauerung der Meere (mit Gefahr für die Fortpflanzung von Meereslebewesen), usw. Deshalb versucht man den CO₂-Ausstoss in die Atmosphäre drastisch zu reduzieren.
Ein Vorschlag ist, Kohlendioxyd aus Rauchgasen von thermischen Kraftwerken abzuscheiden und in Erdspeicher zu verpressen. Diese sogenannte CCS-Technik (Carbon Capture and Storage) ist sicher eine der schlechtesten Lösungen um CO₂ zu beseitigen. Solche CO₂-Speicher brauchen eine ewige Überwachung und die Kosten trägt nach einer Übergangszeit der Steuerzahler. Außerdem blockiert das ins Erdreich gepresste CO₂ potentielle Speicherstätten für Gas, die für erneuerbare Energien von grosser Bedeutung sind. Sinnvoller ist es, das CO₂ zu nutzen. Es gibt bereits Projekte um aus Überschussstrom Windgas zu erzeugen. Dabei wird aus Überschussstrom aus Windkraft- und Fotovoltaikanlagen durch Elektrolyse Wasserstoff erzeugt (Wirkungsgrad 54 - 77%). Der brennbare Wasserstoff ist der Energieträger und kann in das vorhandene Gasnetz eingespeist werden. Dabei muss man wissen, dass es in Deutschland bereits ein großes Gasnetz mit riesigen Speichern für Erdgas gibt. Diese unterirdischen Speicher können den Energiebedarf von 2 bis 3 Monaten decken. Näheres hier.
Dem bestehenden Gasnetz kann man bis zu 5 % Wasserstoff zusetzen. Falls zum Ausgleich von Strombedarfsschwankungen mehr Wasserstoff anfällt als ins Gasnetz eingespeist werden darf, muss der Wasserstoff durch Methanisierung vorher in Methan umgewandelt werden, wodurch der Wirkungsgrad auf 49 – 65% sinkt. Für die Methanisierung wird möglichst konzentriertes CO₂ benötigt, das z.B. aus Rauchgasen von Kraftwerken gewonnen werden kann.
Einen ganz anderen Ansatz zur CO₂-Nutzung verfolgt die Firma Algenol (USA). Bei dem Verfahren werden Bakterien aus einem Labor in Berlin eingesetzt, deren Stoffwechsel gentechnisch so verändert wurde, dass sie CO₂ aufnehmen und Ethanol ausscheiden. Die Energieausbeute pro Fläche soll etwa 8 bis 10 mal besser sein als bei Energiepflanzen (z.B. Mais) und man braucht keine fruchtbaren Ackerflächen. Das Ethanol dient zur Herstellung von preisgünstigem Treibstoff. Prototypanlagen laufen bereits. Ein Bauantrag für grosstechnische Anlagen in Texas und Florida wurde 2010 gestellt.
Effiziente Speicher
Es gibt im Internet einen Film, der zum Thema Energiewende viele Informationen liefert.
Die Speicherung von Wasserstoff und Methan hat einen relativ schlechten Wirkungsgrad. Batterien wiederum sind relativ teuer, haben aber einen guten Wirkungsgrad. Kurzfristige Stromschwankungen werden deshalb sinnvollerweise mit Batterien geglättet. Es gibt neuerdings Batterien mit einem hohen Wirkungsgrad (angeblich über 97 %) in Containern für einen Speicherbedarf von bis zu 2,5 MWh. Beispiele sind Kolibri und DBM Energy.
Fotovoltaik-Anlagen können durch Batterien ergänzt werden um eine hohe Selbstversorgung zu erreichen. Neuerdings gibt es auch Fotovoltaik-Module mit bereits eingebauer Batterie, eingebautem Wechselrichter und Kabel. Das Kabel kann direkt in eine Steckdose gesteckt werden. Näheres hier.
Tagesschwankungen werden in altbewährter Form mit Pumpspeicherkraftwerken ausgeglichen (Wirkungsgrad bei 75 bis 80 %). Da der Bau von Wasserspeichern für solche Kraftwerke starke Landschafteingriffe erfordert, sind neue Pumpspeicherkraftwerke in Deutschland kaum zu realisieren. Deshalb gibt es Vorschläge ehemalige Bergwerke dafür dafür zu nutzen. Diese besitzen tiefe Schächte und unterirdische Hohlräume.
- Artikel im Spiegel
- VDI Nachrichten
Weitere Lösungen werden zur Zeit diskutiert, z.B. einen ausgesägten riesigen Granitblock als Energiespeicher zu verwenden. Die Abdichtung dürfte aber sehr schwierig sein.
Pumpspeicherkraftwerk mit Bohrschächten werden von der Firma GravityPower vorgeschlagen. Sie brauchen wenig Platz. Eine typische Anlage kann über 4 Stunden 40 MW abgeben. Solche Anlagen sind sicher auch besser abzudichten. Untersuchungen zu diesen Anlagen laufen in Deutschland.