Notfallpläne für das AKW Biblis: unzureichend, widersprüchlich, gefährlich

Von einem GAU bedroht: AKW Biblis (Foto: Niko Martin)

Nach einer Analyse der Notfallpläne für das Atomkraftwerk Biblis kommt der BUND zu dem erschreckenden Fazit, dass im Ernstfall Maßnahmen des Katastrophenschutzes völlig unzureichend sein werden.
Leider gilt diese Analyse auch für andere Atomkraftwerke, die noch in Betrieb sind.

Bevölkerung weitreichend schutzlos

BUND-Energiesprecher Dr. Werner Neumann: „Die aktuellen Notfallpläne gehen von dem völlig unwahrscheinlichen Szenario eines „beherrschbaren“ und „langsamen“ Störfalls aus, bei dem sich die Radioaktivität zeitlich und räumlich nur eng begrenzt ausbreiten wird. Im Ernstfall wird aber die Bevölkerung in einer weitreichenden Umgebung hohen Strahlenbelastungen schutzlos ausgeliefert sein. Die Notfallpläne betreffen nur einen kleinen Teil der möglicherweise betroffenen Bevölkerung, die darüber hinaus nicht oder nur völlig unzureichend über die Auswirkungen und erforderlichen Verhaltensweisen informiert ist.“

Der BUND kritisiert, dass in der Broschüre „Notfallschutz für die Umgebung des Kernkraftwerks Biblis“ aus dem Jahr 2003, die die offizielle Informationsbroschüre für die Bevölkerung darstellt, davon ausgegangen wird, dass sich bei einem Reaktorunfall freigesetzte Strahlung im wesentlichen auf einen Umkreis von nur 10 km konzentriert. Nur für diesen 10 km-Umkreis werden Maßnahmen der Evakuierung vorgesehen, wenn bestimmte Grenzwerte der radioaktiven Freisetzung bzw. der hochgerechneten gesundheitlichen Belastung der Menschen überschritten werden.

Evakuierung über 500 km erforderlich

Werner Neumann: „Die Notfallpläne für Biblis gehen des Weiteren irrigerweise davon aus, dass der gefährliche radioaktive Fall-out auf einen Bereich im Umkreis von 25 km vom AKW begrenzt bleibt. Dementsprechend wurden die Pläne so aufgestellt, dass die Bevölkerung aus diesem kreisförmigen Gebiet in Orte evakuiert wird, die kaum mehr als 30 km von Biblis entfernt liegen. Diese Beschränkung ist unhaltbar.“

Der BUND verweist auf eine Studie des Öko-Instituts im Auftrag von EUROSOLAR, die das Bedrohungspotential „gezielter Flugzeugabsturz“ am Beispiel des AKW Biblis A“ aufzeigt. Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass die Bereiche, die gemäß den Strahlenschutzvorschriften eine Evakuierung bedürfen, sich sogar bis über 500 km, entweder bis Berlin und Polen oder bis Köln, Belgien und darüber hinaus erstrecken können. Langfristig umzusiedelnde Gebiete würden sich bis in Entfernungen von 200-300 km erstrecken. Für bodengebundene Terroranschläge sind ähnliche Auswirkungen zu erwarten.

Jod-Notversorgung unsicher und unzureichend

Weiter kritisiert der BUND, dass die Versorgung mit Jodtabletten unsicher und unzureichend ist. Es sei unklar, ob im Ernstfall eine flächendeckende Versorgung rechtzeitig von außen in eine verstrahlte Zone hinein erfolgen könne. Dies wäre jedoch wichtig, da gerade in den ersten Tagen einer Freisetzung ein Großteil der radioaktiven Belastung durch Jodisotope (z.B. Jod 131) bedingt ist. Da sich Jod gasförmig verbreitet, kann es aus der radioaktiven Wolke eingeatmet werden. Zudem kann es nachdem es sich auf Nahrungsmitteln niedergeschlagen hat, mit diesen aufgenommen werden.

Werner Neumann: “Radioaktives Jod reichert sich vor allem in der Schilddrüse an und kann, wie die Erfahrungen von Tschernobyl zeigen, zu einem deutlichen Anstieg von Schilddrüsenkrebserkrankungen und Todesfällen führen. Einer Aufnahme von radioaktivem Jod kann nur durch die rasche Einnahme von Jodtabletten entgegen gewirkt werden.“

Fazit: Notfallpläne unzureichend, widersprüchlich und gefährlich

Fazit des BUND:
Die Notfallpläne sind völlig unzureichend, widersprüchlich und gefährlich. Das nach Atomgesetz und Strahlenschutzverordnung geforderte Niveau des Notfallschutzes und die Beschränkung der Gefahren und Auswirkungen auf ein Mindestmaß sowohl der Bevölkerung im engeren Umkreis als auch einer möglicherweise sehr großen Personenzahl in einem großen Umkreis ist nicht gegeben.

Der Betrieb von Biblis A und B erfüllt nicht die gesetzlichen Anforderungen an den größtmöglichen Schutz der Gesundheit der Bevölkerung. Der Sicherheits-Rabatt, den die Landesregierung durch hinausgeschobene erforderliche Nachrüstungen und durch einen völlig veralteten und unzureichenden Notfallschutz hier gibt, ist unverantwortlich.

Betreiber genießt Vorteile auf Kosten der Gesundheitsvorsorge

Ein ausreichender Notfallschutz für einen weitaus größeren als bisher angenommenen Teil der Bevölkerung würde mit Kosten in Milliardenhöhe für das Land Hessen und die Landkreise verbunden sein. Diese Kosten müssten eigentlich vom AKW Biblis-Betreiber RWE Power getragen werden. Es besteht daher der Verdacht, dass der Betreiber durch unzureichende Notfallpläne finanziell geschont und entlastet wird – auf Kosten der Gesundheitsvorsorge für die Bevölkerung. Wenn wirklich eine sehr umfassende technisch mögliche Vorsorge erfolgen würde, wäre der Betrieb der Atomkraftwerke völlig unwirtschaftlich. So hat RWE wirtschaftliche Vorteile auf Kosten der Gesundheitsvorsorge.

Werner Neumann abschließend: „Für den BUND steht fest. Da der Sicherheit der Bevölkerung Vorrang eingeräumt werden muss, ist die daraus folgende einzig richtige Konsequenz das sofortige Aus für Biblis A und B.“



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